CHINAHIRN fragte die beiden Radfahrer auf dem Langen Marsch: Wo seid ihr?

Vergangenen Freitag um 18.30 Uhr chinesischer Zeit erreiche ich Volker Häring und Christian Y. Schmidt per WeChat-Call.

Wer sie noch nicht kennt: Das sind die zwei „verrückten“ Deutschen, die in zwei Etappen mit dem Fahrrad den Langen Marsch nachfahren, finanziell unterstützt von inzwischen rund 100 Paypal-Spendern. Den ersten Teil absolvierten sie im Herbst 2023. Seit Anfang März sind sie auf der zweiten Etappe unterwegs. Fast 6000 Kilometer haben sie inzwischen schon hinter sich. Erste Frage: Wo seid ihr? Antwort: In einem Hotel in Luomen, einer Stadt irgendwo in der Provinz Gansu. Zweite Frage: Wie geht es euch? Christian: Wir hatten heute einen Ruhetag. Volker fährt dazwischen: „Was heißt hier Ruhetag. Wir sind auch am Ruhetag aktiv.“ Tagsüber hatten sie mehrere Buddhahöhlen besucht. Christian ergänzt: „Und alles im strömenden Regen.“ Wasser von oben und teilweise auch Schnee begleitete sie die letzten 14 Tage. Diese waren sehr anstrengend – und gefährlich. Es ging über einige Berge. Der höchste war 4114 Meter hoch. Zu ihrer Überraschung und auch Freude gab es unter dem ein oder anderen Berg ein Tunnel. Christian, der Älterer der beiden, sagt: „Ich war dafür sehr dankbar.“ Die Tunnels waren zum Teil für Radfahrer gesperrt, doch sie rauschten „mit Schmackes“ (Volker) durch. Einmal sogar im Dunkeln, weil das Licht im Tunnel ausfiel und Volker hinfiel. Viel gefährlicher war freilich ein Vorfall auf einer von einem Erdrutsch gesperrten Straße. Dort wurde Volker von einem Räumfahrzeug im Rückwärtsgang fast überfahren. „Das waren zehn Schrecksekunden, in denen ich so laut wie nie in meinem Leben schrie.“

Inzwischen haben sie auf der zweiten Etappe rund 3ooo Kilometer in den Beinen. Christian sagt: „Wir merken beide, dass es an die Substanz geht.“ Zu der physischen kommt auch eine mentale Erschöpfung. Volker sagt: „Wir erleben zu viel, wir können die Eindrücke gar nicht mehr alle verarbeiten“. Die wechselnden Landschaften, die Kontraste zwischen Stadt und Land, die vielen Erlebnisse mit den unterschiedlichsten Menschen. Gerade sind sie durch eine Gegend der moslemischen Hui-Minderheit geradelt. Auch Polizisten treffen sie immer wieder. Einmal stürmten sie ohne Klopfen zu fünft in ihr Hotelzimmer, zum anderen klopften sie ihnen freundschaftlich auf die Schulter angesichts ihrer Heldentat, auf den Spuren des großen Mao zu wandeln bzw. zu fahren. Christian und Volker berichten von Jurten, in denen sie nächtens gefroren haben, von den Hotels, die im Vergleich zur ersten Etappe teurer geworden sind, weil viele einfache Bleiben sie als Ausländer nicht aufnehmen wollen. Nicht aus Xenophobie, sondern wegen der Bürokratie. Denn das Ausfüllen des entsprechenden Online-Formulars an der Rezeption überfordert das Personal, das meist noch nie Ausländer beherbergt hatte. Angesichts der vielen Eindrücke, die sie tagtäglich erleben, sind – wenn man es so ausdrücken will – die Festplatten im Kopf der beiden voll. Um diese zu entlasten, schreiben sie jeden Abend Tagebuch und machen viele Fotos. „Zwischen 25 000 und 30 000 dürften es sein“, überschlägt Christian.

Es dürften noch einige dazu kommen. Denn es sind über 115o Kilometer bis zum Ziel in Yan‘an, dem Endpunkt des langen Marsches. Erst noch durch Gansu, dann ein paar Tage durch die autonome Region Ningxia, ehe sie final in der Provinz Shaanxi ankommen. Läuft bzw. fährt alles nach Plan? Volker sagt: „Wir sind sogar vor Plan.“ Am 14. Mai soll Wuqi erreicht werden, am 22. Mai dann Yan‘an. Von dort geht es in die Provinzhauptstadt Xi’an, wo am 23. Mai bei alkoholhaltigen Getränken das Ende der Reise zelebriert wird.

Aber danach beginnt bereits die nächste Etappe: Das Schreiben des (im Frühherbst 2025 bei Ullstein erscheinenden) Buches über ihren Langen Marsch mit dem Fahrrad. Aber das ist dann ein Abstrampeln der etwas anderen Art.

Info:

Jeden Tag berichten die beiden auf ihrem Youtube-Kanal von den Etappen: https://www.youtube.com/@SoweitdieFusseradeln

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