WISSENSCHAFT I China war hinterm Mond

Am 2. Juni um 6.23 Uhr chinesischer Zeit passierte kein all-tägliches Ereignis. Just um diese Zeit setzte ein sogenannter Lander auf der Rückseite des Mondes auf. Eine Landung dort ist ein technisch anspruchsvolles Manöver, das bislang keiner Raumfahrtnation gelang. Die Roboterhand des Lander rammte die chinesische Flagge in den staubigen Boden des Apollo Basins. Zwei Tage lang hielt sich der Lander auf dem Mond auf, kratzte rund zwei Kilogramm Gestein und Erde von der Oberfläche und dockte dann wieder an der Raumfähre Chang’e 6 an, die am 25. Juni in der Inneren Mongolei landen soll. “Direkte Proben aus erster Hand von der Rückseite des Mondes sind unerlässlich, um die Eigenschaften und Unterschiede der beiden Seiten des Mondes besser zu verstehen und die Geheimnisse des Mondes zu lüften”, sagt Zeng Xingguo, Wissenschafter am Nationalen Astronomischen Observatorium der Chinesischen Akademie der Wissenschaften gegenüber Xinhua.

China hat sich damit einen Vorsprung im neuen Wettrennen ins All verschafft. „Establishing a base there (gemeint ist die Rückseite) first might provide an advantage in achieving the long-term goal of a sustainable, resilient presence in space”, sagt Svetlana Ben-Jtzbak, Professorin der John Hopkins University gegenüber Politico.

Das neue Space Race findet vor allem zwischen China und den USA statt. Andere Länder beteiligen sich zwar auch an dem Rennen, aber sie müssen ihre Aktivitäten mangels technischer Kapazität an eine der beiden Nationen andocken. So war bei der Chang’e 6-Mission auch Europa mit an Bord. Die chinesische Raumfähre hatte hochwertige Gerätschaften aus Frankreich, Italien und Schweden dabei. So lieferte das Französische Institut für Astrophysik und Planetologie (IRAP) in Toulouse einen Radon-Detektor, das Swedish Institute of Space Physics einen Detektor für negativ geladene Ionen. Die Zusammenarbeit mit der chinesischen Weltraumbehörde CNSA koordiniert die European Space Agency (ESA). Doch diese Kooperation wird zunehmend in Frage gestellt. Nicht von den Europäern, sondern von den Amerikanern, die Druck auf Europa ausüben. So sagt Karl Bergquist, Chef der internationalen Abteilung der ESA, gegenüber der Deutschen Welle: „There are much more geopolitical tensions today than just eight or nine years ago. So there are more and more restrictions.“ Bereits gekappt wurden die gemeinsamen Trainingsprogramme für chinesische und europäische Astronauten. Europa wird sich auch nicht an der chinesischen International Lunar Research Station (ILRS) beteiligen. Das war ursprünglich geplant. Aber weil dort auch Russland mitmacht, musste die ESA nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine aus dem Projekt aussteigen. So kann es durchaus sein, dass die europäische Beteiligung an der Chang‘e 6 Mission die letzte war. Nochmals Karl Bergquist: „For the moment there are no decisions to continue the cooperation on the Chang‘e 7 or 8.” Die Zusammenarbeit mit China wird wohl sukzessive gekappt werden. Stattdessen werden sich Europa bzw. die ESA noch stärker den USA und dem NASA-Programm Artemis anschließen. So bilden sich in der Weltraumforschung und -politik zwei Blöcke: der amerikanische und der chinesische – wie im ersten Kalten Krieg so auch im zweiten.

Info:

Hier mehrere Videos von der Chang’e- 6-Mission: https://www.youtube.com/watch?v=svW5JNPAD6c&list=PLpGTA7wMEDFhAYAYM6IMG7li4wYhzqaqQ&index=5

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