Der 14. September sollte für Leipzig ein großer Tag werden. In der Leipziger Kongresshalle am Zoo sollte der erste EU-China-Gipfel stattfinden. Schon Monate vorher waren die Top-Hotels ausgebucht oder von den Delegationen geblockt. Doch dann tauchte der bekannte Virus auf und all die Pläne und Wünsche von einem historischen Treffen platzten. Stattdessen schrumpfte der pompös geplante Gipfel zu einer Videokonferenz zusammen. Ab 14 Uhr deutscher Zeit Berlin saßen am Nachmittag des 14. September die Akteure vor riesigen Bildschirmen, hinter ihnen blaue und rote Fahnen. Rund zwei Stunden referierten und diskutieren die zwei Damen (EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel) und zwei Herren (EU-Ratspräsident Charles Michel und Chinas Staatspräsident Xi Jinping).
Vier Themen standen laut Charles Michel auf der Tagesordnung: Erstens: Klimawandel, Zweitens: Handel und Wirtschaft, Drittens: Internationale Angelegenheiten und Menschenrechte, Viertens: Covid-19-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen. In der anschließenden virtuellen Pressekonferenz setzten die drei EU-Vertreter unterschiedliche Schwerpunkte. Charles Michel redete als erster und vor allem über den dritten Punkt. Zu Hongkong hätten sie große Bedenken geäußert. Sie hätten unabhängige Beobachter für die Uiguren-Provinz Xinjiang gefordert. Und sie baten China, von unilateralen Schritten im Südchinesischen Meer abzusehen. Danach war Angela Merkel dran. Ihr Thema: Klimapolitik. China hätte sich bereit erklärt, schneller zur Klimaneutralität zu kommen. China setzte immer noch sehr viel Kohle ein. Merkel: „Deshalb haben wir mit dem Präsidenten auch über den Umstieg auf andere Energieformen gesprochen.“ China habe sich zu diesem Weg bekannt. Kurz äußerte sich Merkel auch zum Investitionsschutzabkommen: „Wir haben Druck gemacht, voranzukommen.“
Es blieb allerdings Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen vorbehalten, ausführlicher über das Abkommen zu reden. Bei drei wichtigen Themen (Verhalten von Staatsunternehmen, erzwungener Technologietransfer und Transparenz bei Subventionen) habe man bislang Einigung erzielt. „Dies ist ein wichtiger Punkt, ein wichtiger Fortschritt.“ Dann folgt jedoch sofort das große Aber: „Es bleibt noch viel, viel zu tun.“ Vor allem beim Marktzugang. Von der Leyen sprach mehrere Branchen und Technologien an, die es auf dem chinesischen Markt schwer haben: Digitaltechnologie, Telekommunikation, Computerdienste, Gesundheitstechnologie und Elektrofahrzeuge.
Von der Leyen bekräftigte freilich, die Verhandlungen bis Ende des Jahres abzuschließen. Merkel zeigte sich vorsichtig optimistisch: „Ich denke, es kann klappen.“ Sie sieht den politischen Willen auch auf der chinesischen Seite. Wichtig wird der Ausgang der US-Wahlen am 3. November sein. Ein Sieg Joe Bidens könnte die Verhandlungen beschleunigen. Denn Biden wird – anders als Trump – wieder den Schulterschluss mit Brüssel suchen, was wiederum Beijing nicht gefallen dürfte. Deshalb könnte China der EU entgegenkommen, um eine allzu enge Annäherung der EU und USA etwas aufzulockern.
Übrigens: Der in Leipzig ausgefallene erste EU-China-Gipfel „im Vollformat“ (Merkel) soll möglichst bald nachgeholt werden. Aber das werde nicht mehr in der deutschen Ratspräsidentschaft sein, sagte Merkel, sondern sehr wahrscheinlich in Brüssel, denn Belgien hat im ersten Halbjahr 2021 die EU-Präsidentschaft inne.
Info:
Hier gibt es die Statements von Charles Michel, Angela Merkel und Ursula von der Leyen sowie die anschließende Pressekonferenz auf Deutsch: https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-merkel-eu-ratspraesident-michel-und-eu-kommissionspraesidentin-von-der-leyen-am-14-september-2020-1786824
Von chinesischer Seite gibt es nur einen Kommentar der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua: http://www.xinhuanet.com/english/2020-09/14/c_139367816.htm