WIRTSCHAFT I Autoindustrie

Am ersten November-Wochenende fand am Himmel über der südchinesischen Metropole Shenzhen eine gigantische Show statt. Mehrmals stiegen 2000 beleuchtete Drohnen hoch und formierten sich zu einem Auto, das die Silhouette des ID.4 zeigte. Der ID.4 (wer kam eigentlich auf diesen „Namen“?)  ist das Vorzeige-Elektroauto des VW-Konzerns. 

VW-Chef Herbert Diess war bei der Präsentation in Shenzhen nicht vor Ort, aber er schaute sich dieses Spektakel natürlich online an. „Wow! That`s impressive, Stephan Wöllenstein!“ ließ er per Linkedin mitteilen. Wöllenstein ist Chef von VW China. Dieser war natürlich in Shenzhen und stierte in den Himmel. Später schwelgte auch er in Superlativen: „Simply incredible“. 

Bald wird der ID.4 in zwei Versionen von chinesischen Bändern laufen. Das Modell ID.4 X wird in Anting – im Stammwerk bei Shanghai – produziert, das Modell ID.4 Crozz in Foshan. Beide Fabriken haben eine Kapazität von 300 000 Stück pro Jahr.  Die beiden Modelle sollen die großen Renner werden im boomenden Automarkt China, der bei Elektro längst ein globaler Leitmarkt ist.

China ist für den VW-Konzern DER Markt. Eine Woche vor dem Shenzhen-Auftritt hatte VW die Zahlen für die ersten drei Quartale 2020 veröffentlicht. Wenig überraschend: Während fast alle anderen Länder ein Minus verzeichneten, legte China zu. Inzwischen verkauft VW 43 Prozent seiner Autos in China. Nicht viel anders sieht es bei den anderen deutschen Herstellern aus. Audi. BMW und Daimler hatten in den ersten neun Monaten 2020 in China satte Zuwachsraten: 17,8 Prozent waren es bei Audi, 23 Prozent bei Daimler und 31 Prozent bei BMW. Ohne China hätten sie alle alt ausgesehen. Der allgegenwärtige Experte Ferdinand Dudenhöffer urteilt: „China wird wieder die Lokomotive der Automobilwirtschaft sein – wie bereits nach der Finanzkrise.“ 

China rettet deutsche Autokonzerne – das ist eine (imaginäre) Schlagzeile, die einige deutsche Kritiker nicht gerne lesen. Sie bemängeln zweierlei. Erstens sagen sie: Ihr seid von China abhängig. Sie suggerieren damit: Ihr seid erpressbar. Aber was wäre denn die Alternative? Auf den größten Markt der Welt verzichten? Freiwillig das Angebot reduzieren? Daimler-Chef Ola Källenius antwortet diesen Kritikern: „Es wäre eine falsche Entscheidung zu sagen, wir sind zu abhängig von China. Da würden uns so viele Chancen entgehen.“ Er setzt weiter auf China: „Wir erwarten in den nächsten zehn Jahren das größte Wachstum auch in China.“

Der zweite Vorwurf: Ihr macht durch eure Gemeinschaftsunternehmen die Chinesen stark, und irgendwann überrollen sie euch. Durch den Joint-Venture-Zwang sei viel Know-How nach China geflossen. Aber kein einziger der chinesischen Joint-Venture-Partner hat bislang ein wettbewerbsfähiges, d.h. auf dem Weltmarkt reüssierendes Auto produziert. Weder die VW/Audi-Partner FAW und SAIC, noch der Daimler-Partner BAIC oder gar BMW-Partner Brilliance, der gerade mit wirtschaftlichen Problemen kämpft.

Und übrigens: Dass VW eine konsequente Strategie Richtung Elektromobilität fährt, ist keine Folge von Appellen irgendwelcher Grünen-Politikern, Friday-For-Future-Demos oder Autogipfeln im Kanzleramt, sondern von Chinas Autopolitik, die auf alternative Energien setzt. Dadurch sah sich VW gezwungen zu handeln. Das Ergebnis sah man Anfang November am Himmel von Shenzhen.

Info: 

Die VW-Drohnenshow in Shenzhen können Sie hier sehen: https://www.youtube.com/watch?v=H9VUcSAtKl0

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