Für Chinas Außenminister Wang Yi waren die vergangenen Tage und Wochen sehr hektisch. Gleich nach dem Anchorage-Meeting mit den USA reiste er ins südchinesische Guilin, um dort seinen russischen Kollegen Sergei Lawrow zu treffen. Anschließend brach er zu einer Nahost-Reise auf, die ihn durch sechs Länder der Region führte. Schließlich empfing er vergangene Woche in der Provinz Fujian nacheinander die Außenminister Singapurs, Indonesiens, Malaysias, der Philippinen sowie Südkoreas. Parallel tourte Chinas Verteidigungsminister Wei Fenghe durch Südosteuropa, besuchte Ungarn, Serbien, Nordmazedonien und Griechenland.
Grund der diplomatischen Offensive: China sucht im aufkommenden Kalten Krieg mit den USA Verbündete, nicht unbedingt im militärischen, sondern eher im ideellen Sinne. Und dort, wo ihnen das nicht gelingt, versuchen sie diese Staaten zumindest zu überzeugen, dass sie keine Partei für die USA ergreifen sollen. Es scheint so, dass Chinas Emissäre bei ihren Missionen in diesem Sinne nicht unerfolgreich waren.
Der Besuch Lawrows war fast ein Selbstläufer. Weil USA und NATO China und Russland als Rivalen bezeichnen, treibt sie die beiden Nachbarn gegenseitig in die Arme. Gleiches gilt für die Beziehungen Chinas zum Iran, der sich durch die amerikanische Sanktionspolitik China schon seit Jahren immer mehr annähert. Der Iran stand am Ende des Nahost-Reiseplans von Wang Yi. In Teheran wurde das spektakulärste Ergebnis der Begegnungen verkündet: Eine Comprehensive Strategic Partnership über 25 Jahre. Details wurden nicht bekannt. Aber es soll viel Geld fließen, angeblich will China 400 Milliarden Dollar investieren. Irans Außenminister Javad Zarif bedankte sich artig: „China is a friend for hard times.“ Zweite wichtige Erkenntnis aus Wangs Nahost-Tour, die ihn noch nach Saudi-Arabien, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und die Türkei führte: China will sich in der Region künftig politisch stärker engagieren, nachdem bislang die ökonomischen Interessen – immerhin bezieht China fast die Hälfte seines Öl- und Gasbedarfs aus dieser Region – dominierten. Etwas kühn schlug Wang Yi sogar Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern in Beijing vor.
Sehr ungewöhnlich waren die danach folgenden Treffen mit den vier südostasiatischen Außenministern, die Wang Yi alle nacheinander in Nanping im Norden der Provinz Fujian empfangen hat. Am Mittwoch war Singapurs Vivian Balakrishnan dran, Donnerstag kam Malaysias Hishammuddin Hussein und Freitagvormittag Indonesiens Retno Marsudi und am Nachmittag Teddy Locsin von den Philippinen. Diese Länder sind alle in einem Dilemma: Wirtschaftlich sind sie von China abhängig, aber politisch und militärisch wollen sie unabhängig sein oder sie schlüpfen wie die Philippinen, unter den Schutzschirm der Amerikaner. China wäre schon dankbar, wenn sich diese Staaten nicht an der Eindämmungs- oder Umzingelungspolitik der Amerikaner beteiligten. Das machte Wang nochmals deutlich.
Einen Tag später traf dann noch Südkoreas Außenminister Chung Eui-yong zu einem Treffen mit Wang Yi in Fujians Hauptstadt Xiamen ein. Südkorea will sich – anders als Japan – nicht von den USA gegen China positionieren lassen. China und Südkorea vereinbarten für das erste Halbjahr noch einen 2+2-Dialog der jeweiligen Außen- und Verteidigungsminister sowie einen Besuch Xi Jinpings in Seoul – sobald die Corona-Pandemie vorbei ist.
Interessant war die gleichzeitig stattfindende Reise von Verteidigungsminister Wei Fenghe nach Südosteuropa, wo er nach Serbien und Ungarn mit Nordmazedonien und Griechenland immerhin zwei Nato-Staaten besuchte. Beobachter werten diese Reise nach Europa auch als Reaktion auf die Ankündigung europäischer Staaten (Frankreich, Großbritannien und Deutschland) Schiffe in den Indo-Pazifischen Raum zu schicken. Cui Hongjian, Direktor für europäische Studien am China Institute of International Studies, kommentierte: „If they (er meint die europäischen Kriegsschiffe) come to the South China Sea, we can also go to the Mediterranean.“
Info:
Das gemeinsame Kommuniqué zwischen China und dem Iran zu dem Abkommen gibt es hier:
http://www.president.ir/EN/91435; Eine Einschätzung des China-Iran-Deals gibt Anthony H. Cordesman (CSIS) hier: https://www.csis.org/analysis/china-and-iran-major-chinese-gain-white-area-warfare-gulf