Jürgen Kurz ist Manager in Shanghai. Dort leitet er das Asien-Geschäft von Heuft, einem dieser vielen deutschen Mittelständler, die unter dem Rubrum Hidden Champion firmieren. Das Unternehmen stellt High-Tech-Geräte zum Abfüllen und Verpacken von Getränken, Lebensmittel und Pharmazeutika her. Kurz ist aber nicht nur ein erfolgreicher Manager, er ist auch ein politischer Mensch. Er ist eines der Gründungsmitglieder der Grünen, war im Landesvorstand Rheinland-Pfalz sowie Landtags- und Bundestagskandidat, spielte mit Joschka Fischer Fußball und ist mit vielen Grünen der ersten Stunde auf Du und Du. Auf seinem Mitgliedsausweis steht als Eintrittsdatum 28. 11. 80, ausgestellt vom Kreisverband Mayen-Koblenz. Dort ist er immer noch registriert, auch wenn er seit Anfang 2003 in Shanghai lebt. Einmal grün, immer grün. Deshalb freut er sich, dass die Grünen erstmals mit Annalena Baerbock eine aussichtsreiche Kanzlerkandidatin ins Rennen schicken. „Mit ihrer Klima- und Wirtschaftspolitik stimme ich zu 100 Prozent überein“, sagt er. Doch dann kommt das große Aber. Der außenpolitische Kurs der Grünen behagt ihm überhaupt nicht – nicht der brave Gehorsam gegenüber den USA und erst recht nicht die Verurteilung Chinas. Deshalb versuchte er diverse Änderungen im Wahlprogramm durchzusetzen. Ohne Erfolg. Er fühlt sich von der Antragskommission ausgetrickst und zum Schweigen verurteilt. Weil er auf der Online-Delegiertenkonferenz Mitte Juni nicht zu Wort kam, hat er seine Rede online gestellt. Er nennt sie „meine ungehaltene Rede“, was natürlich doppeldeutig gemeint ist. Zitat: „Heute bin ich besorgt, dass meine Partei sich zunehmend auf Bündnisse gegen andere Länder einlässt. Wie Teile unserer Partei heute mit China umgehen, führt uns nicht in eine friedlichere, sondern in eine gespaltene Welt!“ Insbesondere kritisiert er die Xinjiang-Politik der Grünen, die sich nur auf Medienberichte stützen würde. Er dagegen war dort. Im Mai tourte er zwei Wochen durch Xinjiang und schrieb danach einen 75seitigen Report. Er habe dort Moscheen und Schulen besucht, in denen die uighurische Sprache gelehrt werde, und mit Menschen gesprochen, die in angeblichen Umerziehungslagern waren. Sein. Fazit: „Bis heute kann ich keine Belege für die erwähnten eklatanten Menschenrechtsverletzungen finden.“ Wer so etwas sagt und schreibt, wird natürlich äußerst kritisch beäugt. Der Vorwurf des „brainwashed“ kommt schnell auf. Die Xinjiang-Reise von Jürgen Kurz fand in Übereinstimmung mit den chinesischen Behörden statt, aber Kurz weist darauf hin, auch unabhängig von Begleitern zum Teil spontane Besuche – zum Beispiel in Moscheen – gemacht zu haben. Für die große Mehrheit der Grünen passen solche Berichte eines Augenzeugen nicht in ihr Weltbild. Deshalb ist er für sie wahlweise ein Querulant, ein Verblendeter oder ein China-Versteher, den man am besten ignoriert.
Info:
Die Webseite von Jürgen Kurz ist hier: www.juergenk.de. Darin ist auch der Link zu seinem Xinjiang-Report: http://www.juergenk.de/resources/Die%20Xinjiang%20Tour.pdf