POLITIK I Chinapolitik nach der Wahl

 

Früh am Morgen des 13. Oktober – das Merics hatte zur Zoom-Konferenz geladen – diskutierten vier deutsche Außenpolitiker über „Die Zukunft der deutschen Chinapolitik“: Franziska Brantner (Grüne), Roderich Kiesewetter (CDU), Nils Schmid (SPD) und Johannes Vogel (FDP). Bevor sie über die Zukunft sprachen, blickten sie zurück. Es war ein kritischer Blick. Kieswetter konstatierte eine „große Ernüchterung in der China-Politik Deutschlands“. Schmid erklärte die Strategie des Wandels durch Handel für gescheitert. Alle vier wollten kein Weiter-so in der deutschen China-Politik. Aber wie dann weiter? Brantner sieht die Wirtschaft in der Pflicht: „Wir müssen unabhängiger werden von China.“ Importe wie Exporte müssten diversifiziert werden. Sie sah aber ein, dass man das nicht staatlich steuern könne. Vogel fordert die Unternehmen auf, „mit anderen Weltregionen mehr Handel zu treiben.“ Die EU solle deshalb flankierend mehr Freihandelsabkommen mit anderen Ländern abschließen. Für Kiesewetter ist die Reduzierung der Abhängigkeit von China gar die Schlüsselfrage der 20er Jahre. Er weiß, dass eine solche Politik Folgen haben wird und fragt: „Sind wir bereit, Wohlstandsverluste in Kauf zu nehmen?“ Die Frage hat er nicht beantwortet, die anderen drei aber auch nicht. Alle forderten ein stärkeres und einigeres Europa in der China-Politik. Schmid plädierte für eine europäische Industriepolitik. Brantner sekundierte: „Wenn wir unabhängiger werden wollen, müssen wir mehr investieren.“  Einig waren sich die vier, dass internationale Allianzen (gegen die autoritären Mächte China, Russland & Co.) gebildet werden müssen, egal ob man das nun Allianz der Multilateralisten nennt – ein Vorschlag aus dem Außenministerium unter Heiko Maas – oder ein „Forum für marktwirtschaftliche Demokratien“ (Vogel). Das waren zum Teil Ansätze einer neuen China-Politik. Aber werden sie umgesetzt? Brantner, Schmid und Vogel sind zwar Vertreter der Ampel-Koalitionäre, aber wie groß ist ihr Einfluss? „Chinapolitik ist Kanzlerpolitik“, schreibt Merics-Chef Mikko Huotari in einer Analyse. Und der Kanzler wird wohl Olaf Scholz heißen. Er tickt anders als Genosse Nils Schmid. „Scholz has a history of taking a business orientated approach to China“, schreibt die ARD-Korrespondentin Ariane Reimers, derzeit Fellow am Merics. Sie sieht “some changes in the tonality, but the probability that the future chancellor will continue a pragmatic China policy is nevertheless quite high.” Huotari sieht es ähnlich: „Es wird wohl kurzfristig keinen fundamentalen Wandel geben.“ Aber: „Der Blick auf Peking wird nüchterner und weniger erwartungsvoll sein.“

 

Info:

Die Analyse von Merics-Chef Mikko Huotari gibt es hier: https://merics.org/de/interview/mikko-huotari-zu-szenarien-auf-die-sich-die-neue-bundesregierung-im-verhaeltnis-zu-china; Der Podcast von Ariane Reimers ist hier zu hören: https://merics.org/de/podcast/ariane-reimers-zur-china-politik-nach-den-bundestagswahlen  Hier gibt es Stimmen aus verschiedenen Thinktanks zur Chinapolitik nach der Wahl: https://merics.org/en/opinion/eu-china-opinion-pool-germanys-china-policy-after-election

 

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