OLD CHINA HAND I Jörg Roßkopf, Weltmeister und Bundestrainer im Tischtennis

China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Jörg Roßkopf (52).

Wer weiß, wie Jörg Roßkopfs Karriere als Tischtennisspieler verlaufen wäre, hätte er nicht im Winter 1983/84 vier Wochen in Chengdu verbracht. Als 14jähriger nahm er damals an einem Trainingslager teil. „Es war eine komplett andere Welt“, erinnert er sich. Draußen waren fast nur Leute auf Fahrrädern unterwegs, drinnen in der Halle zog es und es war relativ kalt, die Tischtennistische hatten keine Mittellinie. Trotzdem trainierten die jungen Chinesen nahezu pausenlos, fünf bis sieben Stunden am Tag. „Ich sah, wie hart die trainiert haben.“ Und für ihn war klar: Will ich an die Weltspitze kommen, muss ich ebenso hart trainieren. Was er dann auch tat. Etwas mehr als fünf Jahre später wurde Jörg Roßkopf zusammen mit Stefan Fetzner Weltmeister im Doppel. Damals, 1989, begann eine goldene Ära des deutschen Tischtennissports, die bis heute anhält. Und Jörg Roßkopf ist immer noch dabei – seit 2010 als Bundestrainer. Wer in dieser Sportart auf Weltniveau unterwegs ist, hat natürlich eine enge Beziehung zu China. Über hundert Mal war Roßkopf dort zu Turnieren, zu Trainingslagern, zu PR-Terminen. Er bekennt: „Ich bin ein Freund Chinas, weil wir dort immer sehr freundlich empfangen wurden.“ Er hat gute Kontakte bis in die Spitze des Verbandes. Man schätzt sich gegenseitig. 1989 war dabei so etwas wie ein Wendepunkt. „Bis 1989 haben uns die Chinesen nie als Konkurrenten gesehen, aber danach schon“, sagt Roßkopf. Seitdem duellieren sich die Chinesen und die Deutschen – und meist gewinnen die Chinesen. Zuletzt im Finale der Olympischen Spiele in Tokio. Warum sind die Chinesen so stark? Trainieren sie anders, besser? Der Bundestrainer antwortet: „Die Trainingsmethoden machen nicht den Unterschied aus.“ Es ist vielmehr das System. Schon im Kindergarten und in der Vorschule werde gesichtet. Mit vier Jahren stehen sie in China schon an der Platte und trainieren. Eine Armada von Trainern steht hierfür zur Verfügung. „Es ist quasi ein Staatsauftrag, Tischtennis zu fördern,“ sagt Roßkopf. Zudem ist Tischtennis so populär wie bei uns Fußball. Viele Spiele werden live in CCTV5 übertragen. Es wird sehr gut verdient. Das schafft Anreize. Roßkopf sagt: „Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder Tischtennis spielen. Aber der Druck auf sie ist enorm groß.“ Erstens von den Eltern, die sagen: Du musst damit unsere Familie ernähren. Und zweitens von den Trainern. „Sie motivieren viel über Druck“, sagt Roßkopf, „wenn du den nicht aushältst, kommen zehn andere hinterher.“ Das Reservoir an Talenten ist riesengroß. Wie man dort und hier motiviert, vermittelt Roßkopf auch in Vorträgen bei Unternehmen oder in Live-Schaltungen nach China. Der Weltmeister ist seit 2019 im Team der Agentur Sportspeaker, dem Partner von Hanfei Consulting. Für Miji, den chinesischen Hersteller von Induktionskochplatten, ist er Markenbotschafter. Bei Vorträgen für Allianz, Bauernfeind, DZ-Bank und dem Elektrokonzern Haier spielt er danach mit den Managern auch eine Runde Tischtennis. Aber das zentrale Thema seiner Keynote-Vorträge und Seminaren ist immer wieder:  Wie messe ich mich mit den Besten der Welt? Sportlich steht das wieder im nächsten Jahr an. Dann findet die Mannschaftsweltmeisterschaft in Chengdu statt. „Natürlich wollen wir wieder ins Finale kommen“, gibt Roßkopf das Ziel aus. Der Gegner wird mit ganz großer Wahrscheinlichkeit China sein. Aber immer nur Zweiter zu werden, darauf hat er auch keine Lust. „Irgendwann wollen wir auch Weltmeister werden“, sagt er. Und deshalb muss „man sich auch Ziele setzen, die schwierig zu erreichen sind.“ Wer weiß, vielleicht bringt Chengdu, wo einst seine Spielerkarriere anfing, den Höhepunkt seiner Trainerkarriere.  

Info:

Webseite von Jörg Roßkopf: https://joerg-rosskopf.com/

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