Am 27. Juli 1900 hielt Kaiser Wilhelm II in Bremerhaven seine berühmte Hunnenrede, als er das deutsche Ostasiatische Expeditionskorps Richtung China verabschiedete. Es war eine zutiefst militaristische und rassistische Rede eines Monarchen, der schon seit Jahren vor der „gelben Gefahr“ warnte. Dieser Begriff hatte damals Hochkonjunktur und Wilhelm II. war einer seiner Chefpropagandisten, schreibt Sebastian Conrad, Professor für Global History am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin, in dem FAZ-Beitrag „Die Gelbe Gefahr 2.0“. Darin vergleicht er die Situation von vor über 100 Jahren mit der heutigen und stellt die Frage: „Gelbe Gefahr reloaded?“. Seine sybillinische Antwort: „Ja und nein.“ Er sieht „keine lange, ununterbrochene Geschichte der Chinaphobie“. China sei nicht nur eine diffuse Bedrohung gewesen, sondern auch oft Sehnsuchtsort. Er sieht deshalb einen ständigen Perspektivwechsel von Begeisterung und Abscheu, von Sinophilie und Sinophobie. Warum war und ist das so? Man müsse die China-Diskussionen als Stellvertreterdiskussion verstehen. Conrad: „Von China zu sprechen hieß immer auch, die Rolle der eigenen Nation in der geopolitischen Ordnung zu reflektieren.“ Das würde die gegenwärtige sinophobische Phase des Westens erklären, der zunehmend von dem globalen Wettbewerber und Rivalen China herausgefordert wird wie nie zuvor.
Info: Der lesenswerte FAZ-Artikel von Sebastian Conrad ist hinter einer Paywall. Aber vielleicht taucht er bald auf seiner FU-Seite auf: https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/institut/mitglieder/Professorinnen_und_Professoren/conrad.html