China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Susanne Hornfeck (65).
Gerade hat sie Gedichte von Ai Qing, dem Vater von Ai Weiwei, ins Deutsche übersetzt. Titel des bei Penguin erschienen Bändchens: „Schnee fällt auf Chinas Erde“. Lyrik aus dem Chinesischen zu übersetzen, ist eine hohe Kunst, die viel Sprachgefühl erfordert. Hinzu kam der Zeitdruck, denn die Gedichte sollten zusammen mit den Memoiren des Sohnes erscheinen. Susanne Hornfeck hat es natürlich rechtzeitig geschafft, wie so vieles in ihrem inzwischen langen Übersetzerleben. Schon während ihrer Schulzeit in Stuttgart begann sie, an der Volkshochschule Chinesisch zu lernen. „Ich war eher durch die Schrift motiviert, weil ich mich immer fragte: Wie funktioniert eine nicht-phonetische Schrift?“, sagt sie. Die Schrift hat sie so fasziniert, dass sie im nahen Tübingen anfing Sinologie zu studieren. Aber klugerweise nahm sie mit Germanistik ein zweites Hauptfach, weil Sinologie damals – wir schreiben Mitte der 70er Jahre – eine brotlose Kunst war. An der renommierten SOAS in London studierte sie weiter. „Da habe ich Chinesisch auf Englisch gelernt.“ Das sollten auch ihre beiden Sprachen werden, aus denen sie wenige Jahre später Bücher ins Deutsche übersetzen sollte. Aber zuvor ging sie noch 1989 für fünf Jahre als DAAD-Lektorin nach Taipeh, was eine „sehr spannende Zeit“ war. Das Kriegsrecht war gerade aufgehoben worden, das kulturelle Leben erblühte in Freiheit. 1994 ging es dann zurück in ein wiedervereinigtes Deutschland, ins oberbayerische Schliersee. „Da sitze ich jetzt noch immer und mache meine Arbeit“, sagt sie per Zoom aus ihrem Arbeitszimmer. Wie definiert sie ihre Arbeit? „Ich bezeichne mich als literarische Übersetzerin und Autorin, nicht als Sinologin.“ Sie macht diesen Job freiberuflich. Für diesen Weg habe sie sich 1994 ganz bewusst entschieden. Schaut man auf ihre Liste übersetzter Bücher, fällt auf, dass sie mehr aus dem Englischen als aus dem Chinesischen übersetzte. Bei den Übertragungen aus dem Chinesischen arbeitet sie oft im Tandem mit einer chinesischen Muttersprachlerin, vor allem mit der inzwischen in Seattle lebenden Wang Jue. „Aus dem Englischen ist es schon einfacher, der Weg ist einfach kürzer“, sagt sie. Werke von Timothy Gordon Ash, Jonathan D. Spence und Tony Judt hat sie ins Deutsche übertragen. Auch die Bücher von Ha Jin und Qiu Xiaolong übersetzte sie aus dem Englischen, weil die beiden inzwischen in den USA leben und auf Englisch schreiben. „Das war für mich eine wunderbare Kombination, konnte ich bei diesen Autoren doch auch mein chinesisches Hintergrundwissen einbringen“, sagt sie. Beide Literaten kennt sie gut. Mit Qiu Xiaolong war sie auf Lesereise und auch an den Originalschauplätzen seiner Krimis in Shanghai. Überhaupt Shanghai. Sie schwärmt: „Ich finde diese Stadt unheimlich spannend.“ Dort kennt sie sich am besten aus. Deshalb spielen auch ihre drei Jugendromane („.Ina aus China oder was hat schon Platz in einem Koffer“, „Torte mit Stäbchen. Eine Jugend in Shanghai“ und „Mulan. Verliebt in Shanghai“), wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten, in Shanghai. Susanne Hornfeck schreibt nämlich auch selbst. Neben dieser Trilogie auch ganz praktische Bücher wie zum „Chinesische Hausmittel“ oder „Die acht Schätze der chinesischen Heilküche“ (beide, zusammen mit Nelly Ma, bei dtv erschienen und bei mir zwecks regelmäßigem Nachkochen im Küchenregal stehend). Doch am liebsten übersetzt sie. Der nächste Auftrag ist schon abgesprochen. Anfang des Jahres wird sie beginnen, für Matthes & Seitz den neuen Roman von Ha Jin zu übersetzen.
Info:
Die Homepage von Susanne Hornfeck ist hier: https://www.susanne-hornfeck.de/