WIRTSCHAFT I Asien formiert sich neu

Nein, Rcep ist nicht der Vorname des türkischen Präsidenten Erdogan. Der lautet Recep. Nein, Rcep – meist großgeschrieben: RCEP – ist das Kürzel für einen Wirtschaftsraum, der ab 1. Januar startet. RCEP steht für „The Regional Comprehensive Economic Partnership“. Ihr gehören – bis auf Indien – alle ökonomisch bedeutenden indo-pazifischen Staaten an: Die drei ostasiatischen Länder China, Japan und Korea, die zehn Asean-Länder Südostasiens und die beiden „westlichen“ Anrainer Australien und Neuseeland. Diese 15 Länder bilden „a new centre of gravity“ – so der Titel einer aktuellen Studie er Unctad (Welthandelskonferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung). Dieser neue Handelsblock erwirtschaftet etwas über 30 Prozent des globalen Sozialprodukts und liegt damit vor dem nordamerikanischen Block (28 Prozent) und der EU (17,9 Prozent). Ein erneuter Beweis, wie sich die Kräfteverhältnisse in der globalen Wirtschaft verschieben – nämlich Richtung Fernost. Die Bildung des RCEP ist aus drei Gründen bemerkenswert: Zum ersten Mal kooperieren die drei ostasiatischen Wirtschaftsgiganten China, Japan und Korea in der Handelspolitik. Die nicht-asiatischen Staaten Australien und Neuseeland beteiligen sich – trotz erheblicher Differenzen mit China. Und drittens: China zementiert damit seine wirtschaftliche Führungsrolle in der Region. Dabei war China gar nicht der Initiator dieses Abkommens, über das acht Jahren lang verhandelt wurde. Das waren die Asean-Staaten. Lange Zeit dümpelten die Verhandlungen so vor sich hin, zumal parallel ein anderes Abkommen verhandelt wurde: TPP (Transpacific Partnership), in dem sich die USA mit den pazifischen Anrainer-Staaten zu einem gigantischen Wirtschaftsraum zusammenschließen wollten. Ohne China, denn das TPP war gegen China gerichtet. Eine der ersten Amtshandlungen Donald Trumps war jedoch, aus TPP auszusteigen. Eine grandiose geostrategische Fehlentscheidung. China nutzte die Stunde, um RCEP wiederzubeleben. Und was kaum jemand erwartet hatte: Sie machten alle mit- außer Indien, das kurz vor Vertragsschluss absprang. Durch das Abkommen werden Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse reduziert oder abgeschafft, was den Handel zwischen den Partnern weiter erhöhen wird. Das Nachsehen haben die Länder außerhalb des RCEP, allen voran die EU und USA. Ein Beispiel: Die Nissans und Toyotas aus Japan haben damit einen leichteren Zugang zu den anderen asiatischen Märkten als die Volkswagen oder Fords. „The RCEP should serve as a weak-up call for both the EU and the United States,” heißt es denn auch in einer RCEP-Analyse des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Aber welche Optionen haben die Europäer? Wirtschaftsprofessor Michael Frankel (WHU) nennt vier: Erstens, mehr bilaterale Freihandelsabkommen mit den einzelnen Vertragsstaaten des RCEP abschließen; zweitens, ein Partnerschaftsabkommen EU-RCEP anstreben; drittens, einen alternativen Handelsblock mit den USA und Indien bilden; viertens, auf multilateraler Ebene (Welthandelsorganisation/WTO) die Reformgespräche im Rahmen der stockenden Doha-Runde forcieren. Die EU wie der gesamte Westen können wieder mal nur reagieren, weil andere – allen voran China – rechtzeitig agiert haben.

Info:

Die aktuelle Studie der Unctad zum RCEP gibt es hier: https://unctad.org/system/files/official-document/ditcinf2021d5_en_0.pdf Die BDI-Analyse: https://bdi.eu/publikation/news/auswertung-regional-comprehensive-economic-partnership-rcep/ Und das Papier von Professor Michael Frankel: https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2021/heft/6/beitrag/das-rcep-abkommen-und-dessen-bedeutung-fuer-die-eu.html

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