CHINAHIRN fragt David Spröer, Fußballexperte

Herr Spröer, Sie waren Jugendtrainer in Shanghai und haben dadurch Feldforschung im chinesischen Fußball betreiben können. Warum sind die chinesischen Männer so schlecht?

Da gibt es viele Gründe. Ein Grund, der sicher nicht dazugehört ist, das immer mal wieder zu hörende Argument, das sei genetisch bedingt, Asiaten könnten eben nicht Fußball spielen. Das ist völliger Quatsch. Schauen Sie sich die erfolgreichen Koreaner und Japaner an. Nein, die Gründe liegen tiefer, sie liegen in der Struktur des chinesischen Fußballs.

Wie sieht diese Struktur aus?

Nicht wie zum Beispiel bei uns mit einer Pyramide, wo es oben eine Top-Liga gibt und dann viele, viele Ligen darunter – bis hin zu Tausenden von Kreisklassen. Das ist hierzulande historisch gewachsen. Das kann China nicht nachmachen, zumal auch die dafür notwendige Vereinsstruktur fehlt. Der chinesische Weg kann aber nicht sein, nun massenhaft Vereine zu gründen.

Sondern? Was ist die Alternative?

Fußball muss über den Schulsport gefördert werden. Die USA haben zum Beispiel auch keine Vereinskultur und sind trotzdem stark in vielen Teamsportarten. Dort wird Fußball an den Schulen und Unis betrieben. So ähnlich ist es auch in China. Ich war ja Trainer von Schulmannschaften, stieß dort aber schnell auf strukturelle Defizite.

Zum Beispiel?

Es fehlt in großen Städten oft an Plätzen. Welcher Investor baut schon in Innenstädten einen Fußballplatz? Mit Wohnhäusern lässt sich viel mehr Geld verdienen. Es gab zwar in den letzten Jahren landesweit 30 000 neue Plätze, aber die sind oft nicht da, wo sie gebraucht werden, in den großen Metropolen. Zweites Defizit: Es fehlt der wöchentliche Wettbewerb. Ich hatte mit meinem Jugendteam oft monatelang keine Spiele und dann mussten wir zu einem nationalen Turnier fahren, bei dem wir dann neun Spiele in zweiei Wochen hatten.

Wird denn Xi Jinpings Traum von einer Fußball-Großmacht China angesichts dieser Defizite jemals in Erfüllung gehen?

Chinas Fußballfunktionäre drehen an den richtigen Stellschrauben, aber bis sich Erfolge zeigen, wird dauern. Für die nächsten Weltmeisterschaften müssen wir China jedenfalls noch keine Konkurrenz um den Titel darstellen.

 *David Hugo Spröer (26) trainierte mit 14 Jahren seine erste Fußballmannschaft. Zuletzt war er drei Jahre lang Head of Coaching & Education bei der Shanghai Football Association (SFA). Derzeit lebt er in Berlin und studiert Psychologie.

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