Am 10. 10. 2010 machte Nora Frisch einen entscheidenden Schritt. Beim Esslinger Amtsgericht ließ sie ihr neues Unternehmen – den Drachenhaus Verlag – eintragen. Das Datum war eine Schnapszahl, war die Gründung auch eine Schnapsidee? Nein, sie war wohlüberlegt: Frisch ist Sinologin, sie schreibt, liest gerne und liebt Bücher. Da war die Idee mit dem Verlag zur chinesischen Kultur naheliegend. Frisch hatte gerade ihre Promotion zum Thema „Werbung in China“ und die damit einhergehende Assistententätigkeit an der Uni Heidelberg abgeschlossen. Zeit also für einen Neuanfang. Bei einem Gründerseminar bei der IHK informierte sie sich über das Verlagswesen und vernahm dabei auch warnende Stimmen: „Alte Hasen sagten mir, es wird zehn Jahre dauern, bis du wahrgenommen wirst.“ Und genauso war es auch: Es dauerte Jahre, um sich als kleiner Verlag zu positionieren und durchzusetzen. Heute ist der kleine, feine Drachenhaus Verlag etabliert. In China-Kreisen kennt man ihn und seine Bücher. In der Zwischenzeit ist das Programm auf etwa 40 Titel in acht Reihen angewachsen, und es werden ständig mehr. Neben Reportagen, zweisprachigen Kinderbüchern, Belletristik, Fach– und Wirtschaftsliteratur, Ernährungsratgebern, Büchern über Geschichte und Politik oder Belletristik erscheinen im Drachenhaus Verlag demnächst auch Krimis, die Einblicke in ein China jenseits von Wirtschaft und Politik vermitteln. Es sind sowohl deutsche als auch chinesische Autoren vertreten. Thomas Heberer zum Beispiel. Oder Cornelia Hermanns. Oder der chinesische Andersen-Preisträger Cao Wenxuan. Manchmal schreibt Nora Frisch selbst wie zum Beispiel„Notizen zum Alltag in China“. Manchmal übersetzt sie auch. Sie war gerade in den Anfangsjahren Mädchen für alles: Schreiben, Übersetzen, Lektorieren und das alltägliche Verlagsgeschäft. Inzwischen kann sie delegieren, denn sie hat nun sieben zum Teil freie Mitarbeiterinnen. Dadurch konnte sie auch die Präsenz in den sozialen Medien erhöhen. Sie sagt: „Ein Social-Media-Auftritt ist heute unverzichtbar, das tägliche Einstellen von Beiträgen ist aber eine extrem zeitintensive Tätigkeit.” Nora Frisch hat Stehvermögen. Sie ist eine Kämpferin. Das zeigte sich schon beim Sinologie-Studium, das sie eher zufällig Ende der 80er Jahre in ihrer Heimatstadt Wien anfing. „Davor hatte ich mich mit China noch nie eingehender beschäftigt.” Doch nach einem zweijährigen Studienaufenthalt in Beijing, das sie am Zentralen Musikkonservatorium im Fach Guzheng absolvierte (sie studierte nebenbei noch Musikwissenschaften), ließ sie die Faszination für China nicht mehr los. Es folgte ein sechsmonatiger Studienaufenthalt in Taipei und später während des Promotionsstudiums in Heidelberg mehrere Forschungsreisen nach China. „Das war eine sehr inspirierende, aber auch anstrengende Zeit“, erinnert sie sich, weil sie permanent zwischen Esslingen und Heidelberg pendeln musste. So war sie froh, dass sie mit dem Drachenhaus-Verlag 2010 an ihrem Wohnort Esslingen starten konnte. Wer unter diesen Bedingungen Bücher vertreibt, hat meist auch eine Mission. Der Drachenhaus Verlag sieht seine Aufgabe vor allem im Bereich der Kulturvermittlung. „Das ist in Zeiten wie diesen, wo die Berichterstattung über China fast ausschließlich negativ ist, wichtiger denn je”, sagt sie, „man mag von Chinas Regierung halten, was man möchte, aber viele globale Herausforderungen können wir nur gemeinsam mit China bewältigen. Ein konstruktiver Dialog ist aber nur möglich, wenn er auf Augenhöhe geführt wird. Eine multidimensionale Betrachtungsweise Chinas aus diversen Perspektiven kann daher maßgeblich zu einem besseren Verständnis der chinesischen Mentalität beitragen – der Kulturbereich bietet dafür einen schönen Einstieg. Vor allem aber wollen wir von den Menschen, die in dem Land leben, erzählen.“ Und zu erzählen hat Nora Frisch genug, denn: „Ich habe nie eine solche Gastfreundschaft, so viel Herzlichkeit, so viele nette Menschen kennengelernt wie in China.“ Ich finde, das ist ein schöner Schlusssatz.
Info:
Mehr über den Drachenhaus-Verlag von Nora Frisch gibt es hier: www.drachenhaus-verlag.de