Deutschland ist bei der Energie von Russland abhängig. Das wusste man zwar schon vor dem Ukraine-Krieg, aber viele Politiker und Manager haben es verdrängt oder verharmlost. Kaum hat man diese Abhängigkeit zur Kenntnis genommen, wird schon die nächste, vermeintlich viel größere und gefährlichere thematisiert – die wirtschaftliche Abhängigkeit von China. Die Medien malen schwarz. Am 10. März überschrieb der Kieler Wissenschaftler Rolf J. Langhammer seinen Beitrag in der „Welt“ immerhin noch mit einer Frage: „Ende der großen China-Investitionen?“ Vier Tage später legte China-Korrespondent Hendrik Ankenbrand in einem FAZ-Leitartikel nach: „Kein anderes Land ist so von China abhängig“. Eine Woche später titelte das Handelsblatt: „Das große China-Risiko“. Unterzeile: „Einige Dax-Konzerne könnten Konflikte wie mit Russland kaum verkraften.“ Warum plötzlich diese German Angst vor der chinesischen Abhängigkeit? Weil das Beispiel Russland gezeigt hat, wie schnell man aus politischen Gründen sich aus einem Land verabschieden muss. Wer weiß denn, ob nicht bald Sanktionen gegen China verhängt werden, weil sie an ihrer „felsenfesten Freundschaft“ (Außenminister Wang Yi) mit Russland festhalten? Deshalb muss man die Frage stellen: Wie abhängig ist die deutsche Wirtschaft von China? Bei der Antwort gibt es eine makroökonomische und eine unternehmerische Sicht der Dinge. Die makroökonomische Analyse ist zunächst wenig besorgniserregend. Nach Angaben von Langhammer gehen nur sieben Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen nach China, bei den deutschen Exporten ist der China-Anteil mit 7,5 Prozent unwesentlich höher. Schaut man aber auf einzelne Unternehmen und Branchen, so sieht das Bild anders aus. Es gibt eine Industrie, die einen großen Teil ihres Umsatzes und Gewinns in China generiert: die Autoindustrie. Die Umsatzanteile Chinas bei den drei großen Konzernen lauten nach Angaben des „Handelsblatt“ wie folgt: Volkswagen 37,2 Prozent, Daimler 32,2 Prozent und BMW 31,7 Prozent. In der Wirtschaftssprache nennt man das „Klumpenrisiko“, der Volksmund sagt, man habe zu viel Eier in einen Korb gelegt. Weil Autokonzerne die Angewohnheit haben, Zulieferer bei ihren Auslandsengagements mitzunehmen, sind auch viele deutsche Zulieferfirmen in China stark vertreten. Drei Beispiele: Schaeffler (Umsatzanteil China: 23,8 Prozent), Knorr-Bremse (21,9) und Dürr (20,5). Die Autobranche, die ja die deutsche Vorzeigeindustrie ist, ist also – wenn man es negativ sehen will – von China abhängig. Will man es hingegen positiv sehen, ist sie auf dem größten und zukunftsträchtigsten Automarkt der Welt sehr gut vertreten. Und will das offenbar auch trotz aller medialen Mahnungen bleiben. BMW-Chef Oliver Zipse im „Handelsblatt“: „Wir gewinnen Marktanteile bei gleichzeitig steigender Profitabilität. Warum sollten wir in China also künstlich bremsen?“ Daimler-Chef Ola Källenius klingt in einem „Zeit“-Interview nicht viel anders: „China ist unser wichtigster Markt. Wir sind sehr vernetzt mit China und profitieren stark davon. Es ist unser Interesse, das stetig und konstruktiv weiterzuentwickeln.“ Lediglich VW-Konzernchef Herbert Diess kommt ein kleines bisschen ins Grübeln. Er will das Umsatz-Portfolio ausbalancieren. Das heißt aber für ihn nicht weniger China, sondern mehr USA, wo VW traditionell schwach ist.
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