HU IS HU? Die Chen-Familie – Hamburgs China-Gastronomen

Das chinesische Restaurant mit dem etwas seltsamen Namen „Half the Sky“ liegt am Platz der Arbeiterinnen, unweit des Bahnhofs Altona in Hamburg. Angesichts dieser Adresse erinnerten sich die chinesischen Besitzer des Lokals an den alten, prä-feministischen Mao-Spruch, dass Frauen die Hälfte des Himmels tragen. Also nannten die Inhaber ihr neues Lokal „Half the Sky“. Die Besitzer sind alte Bekannte in der Hamburger Gastroszene: die Familie Chen, drei Brüder und zwei Schwestern. Ihre Eltern emigrierten einst aus China in die Niederlande. Dort betrieben sie in Deventer ein chinesisches Restaurant.

In den 90er Jahren kam der älteste Sohn, Julian Chen, der praktisch wie theoretisch das Restaurantfach gelernt hatte, nach Hamburg. Warum die Hansestadt? Für jemanden aus den nördlichen Niederlanden war Hamburg die naheliegendste deutsche Großstadt. Dort startete Julian Chen 1994 sein eigenes Restaurant „Ni hao“. Er verstand zwar was vom Kochen, aber offenbar nichts von Standortmarketing, denn sonst hätte er nie in Wandsbek ein Lokal eröffnet. Wandsbek ist nicht Innenstadt und auch kein Szeneviertel, sondern ein eher biederes Wohnviertel, wo man eher einen 0815-Chinesen vermuten würde.

Warum ist es dem „Ni Hao“ aber trotzdem gelungen, sich als eine der besten Adressen für chinesische Kost in Hamburg zu etablieren? Da kommt sein Bruder Quiyi Chen ins Spiel. Der studierte Physiker arbeitete zu der Zeit noch für den niederländischen Elektrokonzern Philips im Marketing und jettete durch die meist asiatische Welt, aber er hatte immer noch Zeit, in Hamburg für das „Ni Hao“ zu werben. Ein geschickter Schachzug war es, dass er sich in den Vorstand der Hamburger China-Gesellschaft (HCG) wählen ließ. Viele HCG-Veranstaltungen – darunter das berühmte Neujahrsessen – fanden im „Ni Hao“ statt. Und so sprach sich in Kreise der Hamburger China-Freunde schnell herum, wo man gutes, authentisches chinesisches Essen in einem angenehmen Ambiente fern jeglichen China-Kitsches bekommen konnte.

Wer aber als Chinese Erfolg hat, ruht sich nicht darauf aus. Quiyi Chen war Mitte der Nuller Jahre – damals immer noch bei Philips – für ein halbes Jahr in Singapur stationiert. Der Stadtstaat ist für seine Hawker-Szene mit ihren offenen Küchen unter freiem Himmel berühmt. Freier Himmel im schmuddelwettrigen Hamburg war natürlich nicht angesagt, aber überdachte offene Küche schon. So eröffneten die Chen-Brüder 2008 das Copper House in der Davidstraße mitten auf St. Pauli. Dort hatte früher die Bavaria Brauerei ihr Domizil. Deshalb auch der Name Copper House in Reminiszenz an die Kupferkessel der Brauerei. Die Leitung des Restaurants übernahm Xinyi Chen, der dritte Chen-Bruder. Das Copper House war das erste Lokal in Hamburg mit Live Cooking und wurde relativ schnell ein Erfolg. Auch hier mischte Quiyi Chen im Hintergrund mit. „Ich verbrachte fast jeden Feierabend dort“, sagte Quiyi Chen. Aber irgendwann war die Doppelbelastung für ihn zu groß und es stellte sich die Frage: Philips oder Gastronomie? Er entschied sich für Letzteres: „Das Interesse an der Gastronomie ist bei mir ständig gestiegen.“ Nachdem die beiden Brüder ihre Restaurants hatten, wollte er auch ein eigenes. Die beiden Schwestern arbeiten übrigens diskret im Hintergrund. In der Schauenburgstraße eröffnete Quiyi Chen  2015 die „Red Chamber“, aber die Lage war nicht die beste. Die Kammer musste nach wenigen Jahren schließen. Doch dann bot sich für ihn die Gelegenheit, als Gastronom in den „Yu Garden“ – ein in den vergangenen Jahren etwas umstrittenes Projekt – in der Feldbrunnenstraße einzusteigen. Anfang 2020 eröffnete er dort sein Restaurant. Und dann kam Corona. Aber der Yu Garden überlebte. „Er bietet mehr als nur Essen und Trinken“, sagt Quiyi Chen, „er ist auch eine Event Location.“ Mitten in den Lockdown kamen die Chens auch mit ihrer jüngsten Neueröffnung, dem „Half the Sky“ im neuen Viertel in Altona Mitte. Auch hier bleiben sie ihrem Motto treu: Feine traditionelle chinesische Küche in einem eleganten Ambiente. Der Clou dort ist das begehbare Weinregal. Gemanagt wird das „Half the Sky“ nicht von einem Chen, sondern von zwei familienfremden Managern. Ist damit der Expansionshunger der Chens gestillt? Quiyi Chen will nichts ausschließen. Wie wäre es mit einem Hotpot-Restaurant? Er sagt nur: „Meine Frau ist ein großer Feuertopf-Fan.“ Ja, wenn die eigene Frau schon Feuer und Flamme ist, ist das die halbe Miete oder „half the sky“.

Info:

Die Hamburger Restaurants der Chen-Familie und ihre Adressen:

Ni Hao, Wandsbeker Zollstraße 25-29, www.ni-hao.de

Copper House, Davidstraße 37, www.copperhouse.de

Yu Garden, Feldbrunnenstraße 67, www.yugarden.hamburg

Half The Sky, Platz der Arbeiterinnen, www.halfthesky.de

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