Im Ukraine-Konflikt betont der Westen stets zu Recht, dass jedes Land, also auch die Ukraine, frei und selbstbestimmt entscheiden kann, welche Bündnispartnerschaft es eingehen will. Aber dieses Credo gilt offenbar nur, wenn man sich für den richtigen Partner – sprich: den Westen – entscheidet. Dieser Eindruck entsteht bei der Betrachtung der aktuellen Entwicklung auf den Salomonen. Die Regierung dieser Inselgruppe nordöstlich von Australien hat sich für ein Sicherheitsabkommen mit China entschieden. Und schon braust ein Sturm der Entrüstung aus Australien und den USA über die Salomonen: Was erlauben Honiara? Das ist die Hauptstadt der Salomonen. Was in dem Abkommen genau vereinbart wurde, ist etwas unklar. Aber China soll offenbar das Recht haben, Schiffe der Marine und der Küstenwache auf den Salomonen zu stationieren. Premier Mannaseh Sogavare dementierte vor dem Parlament: „There is no intention for China to build a military base.” Aber für die USA (und dessen verbündeten Australien) ist klar: die Salomonen wären ein Präzedenzfall. Es wäre der erste Militärstützpunkt Chinas im indo-pazifischen Raum (außerhalb des eigenen Territoriums). Deshalb antichambrieren – oder muss man besser sagen: intervenieren – beide Staaten bei der Führung in Honiara. Gerade war Australiens Pazifik-Minister Zed Seselja dort, vergangene Woche dann Kurt M. Campbell, im Nationalen Sicherheitsrat der USA für den Indo-Pazifik zuständig. Beide betonten zunächst pflichtschuldig, dass natürlich die Salomonen wie jedes andere Land auch das Recht hätten, seinen Sicherheitspartner zu wählen. Aber es sollten dann schon die USA sein. Vorbild Marshall-Inseln, Mikronesien oder Palau. Diese drei Inselstaaten im Pazifik haben die USA als Partner gewählt, wobei sicher der ein oder andere Scheck nachgeholfen hat. Aber auch China wird – diplomatisch wie finanziell – in dieser Gegend zunehmend aktiv. Die Salomonen sind kein Einzelfall. Letztes Jahr telefonierte Xi Jinping mit den Regierungschefs der Fidschi-Inseln und Papua-Neuguineas. Im Oktober 2021 fand ein erstes Treffen pazifischer Außenminister mit ihrem chinesischen Amtskollegen statt. Der Pazifik wird zu einem Schauplatz amerikanisch-chinesischer Konfrontation. Mikronesiens Präsident David Panuelo schreibt in einem Brief vom 30. März: „My fear is that we – the Pacific Islands – would be at the epicentre of a future confrontation between these major powers.” Was derzeit im Pazifik passiert, könnte sich künftig in anderen Regionen der Welt wiederholen. China wird auch in anderen Ecken dieser Welt Stützpunkte für sein Militär suchen und etablieren. Als Handelsmacht will China dadurch die Seewege absichern, über die ein Großteil seiner Warenexporte, aber auch der Energieimporte transportiert werden. Zudem nimmt sich die neue Großmacht China dasselbe Recht heraus wie die alte Großmacht USA. Die US-amerikanischen Streitkräfte haben geschätzte rund 800 Militärstützpunkte unterschiedlicher Größenordnung auf dem Globus. Darunter Inseln wie Guam (Pazifik) oder Diego Garcia (Indischer Ozean). Bislang hat China mit Djibouti am Horn von Afrika lediglich eine Militärbasis. Das ist die offizielle Version. Aber es tauchen immer wieder Gerüchte auf, dass China auf Sri Lanka, in Pakistan, Abu Dhabi, Argentinien und Äquatorial Guinea Stützpunkte plane oder gar schon errichtet habe. Wir stehen vor einem globalen Wettrüsten, das an die Zeiten des Kalten Krieges erinnern, in denen immer mehr Länder gezwungen werden, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden.
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