Rund 30 Minuten redet der Mann im TV-Studio über China und die Welt. Danach stellt er sich den Fragen des Publikums. Stets bleibt er höflich und – wenn es angebracht ist – auch humorvoll. Immer wieder streut er Anekdoten aus seinem reichen langen Leben ein. Das Publikum im Studio und draussen an den Bildschirmen amüsiert und informiert sich bei diesem – so würde man heute sagen – Politinfotainment. Willkommen bei „China Now“, einer Polit-Show bei Dragon TV (auf Chinesisch heißt sie „zhe jiu shi zhongguo“, was man eher mit „Das ist China“ übersetzen könnte). Der Welterklärer im TV-Studio ist Zhang Weiwei (63), im Hauptberuf Professor für internationale Beziehungen an der Fudan Universität in Shanghai. Er ist einer der einflussreichsten politischen Intellektuellen Chinas, der Chinas Führung gefällt, weil er sagt, was sie denken – oder ist es umgekehrt? Ende Mai 2021 referierte er zum Beispiel im Politbüro der KP. Themen: „Telling the good China story“ und „Promoting China´s voice on the global stage”. Beides sind Themen, die auch Xi Jinping seit Amtsantritt propagiert. Er fordert einen Ausbau der chinesischen Soft Power und „discourse power“. Er wie auch Zhang fordern ein China, das seine Erfolge selbstbewusst in der Welt verkaufen soll. Zitat Zhang: „We are not afraid of competition especially not of competition between political models.” Basierend darauf fordert er: “China, you must be confident!” Und: „Chinese people also have to speak successfully.“
Wer ist dieser Zhang Weiwei, der sowohl Gehör der Führung als auch des Volkes findet? Zhang wurde 1957 in Shanghai geboren.
Er erlebte er die Wirren der Kulturrevolution hautnah mit. Seine fünf ältesten Geschwister wurden alle nach Xinjiang verschickt. Er durfte in Shanghai blieben. Als der Spuk vorbei war, war er einer der ersten, die an der Fudan Universität wieder studieren durften, und zwar Englisch. 1983 landete er als Übersetzer im Außenministerium. Er dolmetschte für Deng Xiaoping und Li Peng. Ende der 80er Jahre wechselte er als Dolmetscher zu den Vereinten Nationen nach Genf, wo er auch weiterstudierte, promovierte und auch lehrte. Erst 2010 kehrte er nach China zurück. Erst arbeitete er für die Shanghai Academy of Social Sciences, dann als Leiter des China Instituts an der Fudan University. Einem breiteren Publikum im Westen wurde er durch sein 2012 ins Englische übersetzte Buch „The Chinese Wave“ bekannt. Darin erklärt er, dass China kein Staat wie jeder anderer sein, sondern etwas Besonderes, etwas Einmaliges: ein „civilization state“.
Zhang Weiwei ist dabei keiner dieser grimmigen chinesischen Wolf Warrior. Er ist eher ein Wolf im Schafspelz. Er kann seine knallharten Thesen von der Überlegenheit des chinesischen Systems charmant rüberbringen. Und das auch in vorzüglichem Englisch. Auf vielen Bühnen und in vielen TV-Studios dieser Welt trat und tritt er eloquent auf und scheut dabei keine Auseinandersetzung mit seinen westlichen Kollegen. Am wohlsten fühlt er sich aber in seiner eigenen Show „China Now“. Und weil ihm dieses Forum nicht ausreicht, hat er seit Januar 2021 auch seinen eigenen Youtube-Kanal: „The Chinese Way by Zhang Weiwei.“
Info:
Hier als Beispiel die 125. Sendung von „China Now“ (mit englischen Untertiteln): https://www.youtube.com/watch?v=Y5-jjZg24-U&list=PL1OG5YATWAbDEPDNVtYAinHSkG3QEIfbW&index=25
Einen interessanten Einblick in das Denken und Leben des Zhang Weiwei gibt es diese Arbeit von Magnus Bjerke:https://www.duo.uio.no/bitstream/handle/10852/88389/Master-thesis–Magnus-Lomax-Bjerke.pdf?sequence=1
Ein aktueller Beitrag des China Media Project über Zhang Weiwei: https://chinamediaproject.org/2022/06/29/eradicating-chinas-spiritual-americans/?utm_source=substack&utm_medium=email