Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Es war viel los in den vergangenen zwei Wochen. Ein Gipfel hier, ein Gipfel dort. Auf solchen hat man ja in der Regel Weitsicht. Aber diese waren ja keine geographischen, sondern politische Gipfel. Da dominiert eher die tagesaktuelle Kurzsichtigkeit, manchmal auch gepaart mit etwas Verblendung. Sagte doch der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan beim G7-Summit in Elmau: „We are not looking to divide the world into blocs and make every country choose.“ Aber genau das ist das Ergebnis der Gipfel von G7 und NATO. Dort hat sich ein westlicher Block präsentiert, der sehr macht- und selbstbewusst auftrat. In der Woche davor demonstrierten nicht ganz so pompös und geschlossen die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) bei einem Gipfel ihre Macht. Fazit nach einer Woche Gipfelstürmerei: Wir steuern auf eine polarisierte Welt mit zwei Machtblöcken zu. Hier die G7 mit dem Cheer-Leader USA, dort die BRICS mit dem aggressiver werdenden Primus China. Dies ist aber kein System-Wettstreit Demokratien versus Autokratien, wie gerne suggeriert wird. Es ist eher eine Konfrontation westliche Welt gegen globalen Süden, als deren starker Wortführer sich China zunehmend geriert. Hier geht es vor allem um Machtspiele. Dabei versucht jeder Block seine Macht zu vergrößern. Beide buhlen um Verbündete. Die amerikanischen Thinktanker Ivo H. Daalder und James M. Lindsay träumen in einem aktuellen Foreign-Affairs-Artikel von einer G12, eine um Südkorea, Australien, Neuseeland, die EU und NATO erweiterte G7. Im anderen Lager setzt man auf ein „BRICS Plus“ mit Staaten wie Argentinien, Iran, Nigeria und Saudi-Arabien. Beides würde die Welt noch tiefer spalten. Wir brauchen aber Kooperation statt Konfrontation. Glauben die Polarisierer auf beiden Seiten allen Ernstes, die großen Probleme der Menschheit (Klima, Energie, Hunger) alleine oder – noch schlimmer – gegeneinander lösen zu können? Wir sitzen doch alle im sinkenden Boot, manche im Oberdeck, viele im Maschinenraum. Keine G7, keine G12, kein BRICS Plus kann uns alleine retten. Wir kommen nur gemeinsam dort raus. Und wir hätten ja ein Gremium, das uns dabei helfen könnte: die G20, wo ja beide Lager sehr repräsentativ vertreten sind. Mitte November ist der G-20-Gipfel auf Bali. Und dann bitte kein nächstes Ballyhoo. Die aktuellen Menschheitsprobleme sind zu gravierend für eine weitere Show-Veranstaltung.

Wolfgang Hirn

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