GESELLSCHAFT I Roboter statt Menschen

Kürzlich veröffentlichte das Nationale Statistikamt die neuesten demographischen Zahlen. Chinas Bevölkerung sinkt zum ersten Mal seit Maos Zeiten. Um 890 000 Menschen ging die Bevölkerung Chinas 2022 zurück. Sie betrug Ende 2022 nur noch 1,411 Milliarden. Wenn der Trend anhält, leben 2100 nur noch 700 Millionen Menschen in China, also die Hälfte der heutigen Zahl. Parallel dazu wird der Durchschnittschinese immer älter. Derzeit ist er 39 Jahre alt, 2050 wird er dann 50 und um die Jahrtausendwende knapp unter 60 Jahre alt sein. Diese demographischen Trends belasten den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme. In einer Mischung aus Bedauern und Häme wird das von den westlichen Medien kommentiert. So schreiben Reuters und The New York Times von einer „demographic crisis“.

Der ehemalige Weltbanker Bert Hofman greift das auf und fragt: „So is China facing a demographic crisis?“. Die Antwort hat Hofman parat, der jetzt an der National University of Singapore (NUS) lehrt, in seinem Blog „China´s demography is not destiny“: „Not so fast“. Er sieht Möglichkeiten, wie Chinas Regierung auf den Bevölkerungsschwund reagieren kann, um Arbeitsmarkt und Sozialsysteme zu entlasten. Da ist zum einen die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Dieses ist in China seit Jahrzehnten unverändert bei 55 Jahren (Frauen) und 60 Jahren (Männer). Ein höheres Rentenalter hätte zwei Effekte: Dem Arbeitsmarkt stünden weitere Personen zur Verfügung, und die Rentenkassen würden geschont. Zweitens schlägt Hofman vor, die Arbeitskräfte effizienter einzusetzen. Noch würden viel zu viele Chinesen in der relativ unproduktiven Landwirtschaft arbeiten, nämlich ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung. In den Industriestaaten des Westens seien es hingegen nur drei Prozent. Der auch politisch gewünschte und forcierte Prozess der Urbanisierung – also der Umzug vom Land in die Städte – könnte diesen Prozess beschleunigen.

Nicht viel erwartet Hofman von dem häufig vorgebrachten Vorschlag, die Chinesen sollten doch einfach mehr Kinder „produzieren“. Er schreibt: „The increase is likely to be modest“. Die Abschaffung der Ein-Kind-Politik hat ja nichts genützt. Es ist schlicht für viele Familien zu teuer, sich ein zweites Kind zu leisten. Zudem ziehen viele Frauen zumindest in den Metropolen vor, Single zu bleiben oder erst später zu heiraten.

Neben diesen sozial- und bevölkerungspolitischen Maßnahmen gibt es allerdings noch eine weitere Möglichkeit, den drohenden Problemen am Arbeitsmarkt zu begegnen: den Einsatz von Robotern.  Diesen forciert China schon seit Jahren von höchster Seite. Nicht ohne Erfolg. In keinem Land sind mehr Industrieroboter im Einsatz als in China. Etwas mehr als die Hälfte aller weltweiten Industrieroboter sind nach Zahlen der International Federation of Robotics (IFR) in China „beschäftigt“. Es folgen mit weitem Abstand Japan, die USA, Südkorea und Deutschland. Damit China weiterhin führend bleibt oder seinen Vorsprung noch ausbaut, haben das Ministry of Industry and Information Technology (MIIT) und weitere 17 Regierungsbehörden den „Robot + Action Plan“ vorgelegt. Darin werden zehn Wirtschaftsbereiche definiert, in denen vermehrt Roboter eingesetzt werden, natürlich in der Industrie, aber auch in der Landwirtschaft, der Logistik, der Gesundheit, der Ausbildung und der Seniorenbetreuung. Es sollen also auch neben den Industrierobotern mehr sogenannte Serviceroboter zum Einsatz kommen. Roboter statt Krankenschwestern.   

Info:

Den Blog von Bert Hofmann „China´s demography is not destiny“ kann man hier lesen:https://podcasts.apple.com/us/podcast/is-chinas-demography-chinas-destiny-a-chat-with/id1121407665?i=1000596625345

https://berthofman.substack.com/p/chinas-demography-is-not-destiny

Außerdem stand Bert Hofman im Sinica-Podcast Kaiser Kuo Rede und Antwort: https://podcasts.apple.com/us/podcast/is-chinas-demography-chinas-destiny-a-chat-with/id1121407665?i=1000596625345

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