OLD CHINA HAND I Rainer Kloubert – Sinologe, Manager, Schriftsteller, Wörterbuchmacher

China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Rainer Kloubert (78).

Welch pralles abwechslungsreiches Leben! Keine geradlinige Karriere, sondern Zickzack durchs Leben. Die vielleicht einzige Konstante im Leben des Rainer Kloubert war und ist die Zuneigung zu China, die schon früh einsetzte. „China hatte mich schon immer interessiert“, sagt Kloubert. So war es klar, dass er Sinologie studierte. Aber bitte zusammen mit einem seriösen Fach, war das Petitum der Eltern, schließlich galt Sinologie in den 70er Jahren als brotlose Kunst. Also nahm er sich Jura als zweites Fach, promovierte sogar darin. Doch als Jurist arbeitete er gerade mal ein Jahr in Taiwan, wohin er nach dem Studium zog. Dort verdingte er sich als Sprachlehrer an einer Militärakademie und als Dolmetscher bei einem chinesischen Wanderzirkus. Dann 1979 endlich Beijing! Er sieht diese Zeit „am Schwanz der Kulturrevolution“. Nach deren Ende kam eine „absolut interessante Zeit“. Die wenigen ausländischen Experten des Staatsrats wohnten wie er im Friendship-Hotel, Fahrräder gab es auf Bezugsmarken. In Erinnerung aus jener Zeit sind ihm noch die grünen Berge von Chinakohlköpfen, die sich in den Straßen stapelten. Damals arbeitete er als Lektor bei der Erstellung des ersten ausführlichen Chinesisch-Deutschen Wörterbuches mit (in Fachkreisen unter „Das große Rote“ bekannt). Finanziert wurde der Job vom DAAD, allerdings nur für fünf Jahre. Er wollte danach unbedingt in Beijing bleiben und begab sich auf Jobsuche. Der Zufall wollte es, dass der Ehemann einer Kollegin aus dem Wörterbuch-Projekt bei einem chinesischen Kohleunternehmen arbeitete, das gerade mit dem deutschen Anlagenbauer KHD (Klöckner-Humboldt-Deutz) verhandelte. Dieser setzte den KHD-Managern die Pistole auf die Brust: Ihr bekommt das Projekt, wenn ihr den Kloubert einstellt. Und so wurde Kloubert der erste China-Repräsentant von KHD. „Das war eine völlig andere Welt“, sagt er. Er verstand von Technologie und Wirtschaft wenig, aber er wusste, wie man mit Chinesen spricht und umgeht. Damals gab es ja noch die Fachministerien, zum Beispiel das Kohle- oder Maschinenbauministerium. Die Beamten dort waren die Verhandlungspartner. Kloubert verstand sie im doppelten Sinne (sprachlich und kulturell) und verhalf KHD zu vielen Aufträgen. Das sprach sich in der damals überschaubaren deutschen Business-Community herum. Bosch, das Anfang der 90er Jahre noch eher zögerlich auf den chinesischen Markt reagierte, engagierte ihn 1992 als Chief Representative. „Ich fing bei Null an“, sagt Kloubert. Unter seiner Ägide schloss Bosch die ersten Joint-Ventures ab. Zwölf sollten es insgesamt in seiner Bosch-Zeit werden. 2001 hörte er auf. Warum? Da fallen ihm gleich mehrere Antworten ein. „Die Konzernwelt war mir zu eng“. Oder: „Ich war gewohnt, das zu machen, was ich wollte“. Oder: „Ich hatte genug von den immer selben Banketten, manchmal drei an einem Tag.“ Er provozierte seinen Abgang beim Stuttgarter Konzern und kehrte zurück in seine Welt des Wortes, der Sprache, der Kultur. Er wurde Schriftsteller. Seine beiden ersten Werke hießen „Der Quereinsteiger“ und „Angestellte“. Auf deren Cover stand zwar Roman, aber sie waren alles andere als fiktiv. Es war eine literarische Abrechnung mit den Welten der Expats in China und der Konzerne. Wer sich in diesen Welten auskannte, konnte Ähnlichkeiten mit lebenden Personen erkennen. Danach widmete sich der schreibende Kloubert allerdings historischen Themen. Es entstand unter anderem die berühmte Trilogie „Peitaiho“, „Yuanmingyuan“ und „Peking. Verlorene Stadt“. Ihn fasziniert und interessiert vor allem „die Zeit, in der die chinesische und westliche Welt aufeinanderstießen“, also die Phase zwischen Ende der Kaiserzeit und der Gründung der Volksrepublik. In dieser Zeit spielt auch sein aktuelles Buch „Warlords“ (es wird in der nächsten Ausgabe von CHINAHIRN besprochen). Aber er arbeitet schon an einem neuen Buch, das der Verbotenen Stadt in Beijing gewidmet ist. Derzeit hält er sich fern dieser Stadt auf, nämlich in London. Noch haben er und seine Frau eine Wohnung in Beijing, aber die Pandemie verhinderte drei Jahre lang eine Rückkehr dorthin. Doch nun wollen sie möglichst bald ihre ursprüngliche Idee realisieren, ihr Leben auf drei Standorte zu verteilen: London, Beijing und Taiwan. Auf der Insel haben sie ein Häuschen direkt am Meer mit einer Riesenterrasse. Seine einzige Sorge: „Hoffentlich sehen wir dort nicht eines Tages die Invasionstruppen aus der Volksrepublik.“

Info:

Hier kann man Rainer Kloubert in „Zeichen und Wunder – Das WDR-Literaturgespräch“ hören. Die Sendung vom 25. Mai 2017 wurde am 1. Mai 2023 wiederholt:

https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeichen-und-wunder/rainer-kloubert-130.htmlAlle Bücher von Rainer Kloubert sind im Elfenbein-Verlag erschienen. Eine Übersicht gibt es auf dessen Homepage: https://www.elfenbein-verlag.de/autoren.htm

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