POLITIK I Auf der Suche nach dem Frieden – Lis erste Europatour

Kiew, Warschau, Brüssel, Paris, Berlin, Moskau – es war ein straffes Reiseprogramm, das Li Hui zwischen dem 16. und 27. Mai durchzog. Li Hui ist der Sonderbeauftragte der chinesischen Regierung, der sich an der Quadratur des Kreises versucht, nämlich der Vermittlung zwischen den Kriegsparteien Russland und Ukraine. Nachdem sich China lange zurückgehalten hat, legte die Regierung am 23. Februar ein 12-Punkte-Programm vor, das allerdings – wie immer behauptet wird – ein Friedensplan ist. Dem Plan folgte dann am 26. März das einstündige Telefonat zwischen Xi Jinping und Wolodymyr Selenskyj. Dabei bot Xi an, seinen Sondergesandten für eurasische Angelegenheiten in die Ukraine entsenden, der “mit allen am Frieden interessierten Parteien” Gespräche führen solle. Dieser Sondergesandte ist Li Hui (69), ein erfahrener Russland-Kenner, der zehn Jahre lang Botschafter in Moskau war, selbstredend Russisch spricht und auch Vize-Außenminister war.

Dieser Li startete seine Europa-Tournee am 16. Mai in Kiew. Interessant war die Ebene der Gesprächspartner während seiner Reise. In Kiew und Moskau sprach Liu mit der obersten Ebene (in Kiew Selenskyj und Außenminister Kuleba, in Moskau Außenminister Lawrow), in den anderen europäischen Hauptstädten traf er bestenfalls Vertreter der zweiten Ebene: in Warschau den stellvertretenden Außenminister Wojciech Gerwel, in Paris den Generaldirektor im Außenministerium Frédéric Mondoloni, in Brüssel den Stellvertreter des EU-Außenbeauftragten Enrique Mora und in Berlin AA-Staatssekretär Andreas Michaelis (plus Asien-Abteilungsleiterin Petra Sigmund sowie die Politische Direktorin Tjorven Bellmann). Während in Kiew, Warschau und Brüssel nach den Gesprächen Statements veröffentlicht wurden, hielten sich Paris und Berlin bedeckt. Das AA teilte lediglich per Twitter mit, dass das Gespräch stattgefunden hatte.

Was Li in allen Hauptstädten (außer in Moskau natürlich) gehört hat, ist die Forderung, dass sich Russland aus den besetzten ukrainischen Gebieten zurückziehen müsse. Das ist die ukrainische und westliche Vorbedingung für die Aufnahme von Friedensgesprächen. Das akzeptiert Russland aber nicht. Lawrow sagte nach dem Li-Gespräch: “There were serious obstacles to resuming peace talks.”

In den deutschen Medien wird die Reise eher skeptisch beurteilt. Das fängt bei der Person Li Huis an. Er sei – wie überhaupt China – nicht neutral, er sei ein „Moskaufreund“ (Handelsblatt). Die Süddeutsche Zeitung titelt: „Chinas diplomatisches Schaulaufen“. Im Tenor ähnlich, aber in der Wortwahl positiver drückt sich Politikwissenschaftler Markus Kaim (Stiftung Wissenschaft und Politik) aus. Für ihn ist Chinas Engagement ein „ziemlich cleverer Schachzug“. Im Deutschlandfunk Kultur sagt er: „China kann sich damit als konstruktive Kraft präsentieren“.

Li ist inzwischen zurück in Beijing und wertet die Gespräche aus. Wer jetzt freilich schon von einem Scheitern redet, verkennt die Komplexität dieses Krieges und einer möglichen friedlichen Lösung. Es wäre naiv – um einmal dieses Modewort zu gebrauchen – zu glauben, dass schon bei einer Reise der gordische Knoten zerschlagen wird. Li bemühte in Kiew ein anderes griechisches Wort: “There is no panacea for solving this crisis.” Panacea kann am besten mit Allheilmittel übersetzt werden. Deshalb wird Li noch öfter nach Europa reisen müssen. Aber es gibt zu seinen Bemühungen keine Alternative: Wenn ein Land in diesem Konflikt etwas erreichen kann, dann ist es China. 

Info:

Eine gute Übersicht über das aktuelle Engagement Chinas in der Ukraine gibt eine Publikation des britischen „House of Commons“: https://researchbriefings.files.parliament.uk/documents/CBP-9795/CBP-9795.pdf

Hier die Statements in den verschiedenen Hauptstädten nach den Besuchen von Li Hui:

Kiew: https://www.president.gov.ua/en/news/v-ofisi-prezidenta-proveli-brifing-shodo-potochnoyi-bezpekov-82965

Warschau: https://www.gov.pl/web/diplomacy/deputy-minister-wojciech-gerwel-met-the-special-envoy-of-the-chinese-government-for-eurasian-affairs?utm_source=POLITICO.EU&utm_campaign=a22b4c2a1c-EMAIL_CAMPAIGN_2023_05_23_09_00&utm_medium=email&utm_term=0_10959edeb5-a22b4c2a1c-%5BLIST_EMAIL_ID%5D

Brüssel: https://www.eeas.europa.eu/eeas/ukraine-deputy-secretary-general-enrique-mora-meets-special-envoy-chinese-government-eurasian_en?channel=eeas_press_alerts&date=2023-05-25&newsid=0&langid=en&source=mail&utm_source=substack&utm_medium=email

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