POLITIK I De-Risking – nur eine Worthülse?

Nachdem ich in der vergangenen Ausgabe versucht hatte, den Ursprung des Modebegriffs „De-Risking“ zu erkunden und dabei nicht tief genug gebohrt hatte, wie Merics-Direktor Mikko Huotari zu Recht kritisierte (siehe dazu CHINAHIRNlos am Ende), begebe ich mich nun mit hoffentlich etwas mehr Tiefgang auf die Suche nach dem Inhalt des Begriffs De-Risking. Ist es nur eine Worthülse, also ein Schlagwort ohne Inhalt? Oder steckt doch mehr drin? Und gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen Decoupling und De-Risking? Seit Donald Trump den Handelskrieg mit China gestartet hatte, war das Wort „Decoupling“ zumindest in der amerikanischen China-Diskussion präsent. Auf Deutsch heißt das Abkoppeln, also letztendlich sich trennen. Wenn ein Waggon von der Lokomotive abgekoppelt wird, sind die beiden getrennt. Auf die wirtschaftlichen Beziehungen zu China übertragen, würde das bedeuten, es gibt keinerlei Austausch mehr zwischen China und den USA. Keinen Handel, keine Investitionen. So weit will natürlich auch der härteste China-Kritiker nicht gehen. „Decoupling sounds sooo absolute, sooo costly, sooo, well, final“, sagt Clyde Prestowitz, der erfahrene US-Ökonom und -Politiker. Deshalb fahndete man nach einem alternativen Begriff und fand ihn in „De-Risking“. Nochmals Prestowitz: „Derisk sounds not so final, not so far reaching, not drastic, just discret and cautious.” De-Risking klingt irgendwie freundlicher. So sagt Bates Gill (Asia Society Policy Institute): “It is a smarter term than decoupling. After all, who does not want to reduce risks.“ Aber will man das Wort definieren und mit Inhalt füllen, wird es schwierig. Paul Gewirtz (Yale University) schreibt in einem Kommentar für Brookings, dass der Begriff „extremely ambiguous and its meaning uncertain“ sei. Also mehrdeutig und schwammig. Er fragt zum Beispiel, ob man damit das völlige Vermeiden des Risikos meine oder nur eine Reduzierung des Risikos. Und dann gibt es noch die Frage, „what counts as a relevant risk“? US-Sicherheitsberater Jake Sullivan versuchte Antworten zu finden. In seiner Rede vom 27. April sagte er: „De-Risking fundamentally means having resilient, effective supply chains and ensuring we cannot be subjected to the coercion of any other country.” In einem Interview mit Fareed Zakaria auf CNN wurde Sullivan etwas konkreter. De-Risking bedeutet danach drei Dinge: “First, we need secure resilient supply chains in critical goods, like green energy technologies and semiconductors. Second, we need to protect our most advanced technologies especially those with military capabilities. Third, we need to fundamentally invest in sources of our industrial capacity here at home.” Die chinesische Seite macht sich nicht viel Kopfzerbrechen über den neuen Begriff. In einem Kommentar in „Peoples´ Daily“ schreibt Zhong Sheng – ein Pseudonym, hinter dem die Führung steckt – dass er keinen Unterschied zwischen De-Risking und Decoupling erkennen könne. Weiter schreibt er: „The so-called De-Risking of the G7 will only bring risks to the stability of the global industrial chains and create obstacles to the recovering of the world economy.” Für Außenamtssprecherin Mao Ning trägt diese Politik des Abkoppelns oder der Risikominimierung zur weiteren Blockbildung in der Welt bei: “The true risks faced by the world are such practice as stoking bloc confrontation and brewing a new cold war.”

Info:

Der Blog von Clyde Prestowitz: https://clydeprestowitz.substack.com/p/derisknice-word-for-decouple

Der Kommentar von Paul Gewirtz: https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2023/05/30/words-and-policies-de-risking-and-china-policy/

Jake Sullivan im Gespräch mit Fareed Zakaria bei CNN: https://edition.cnn.com/videos/world/2023/06/04/jake-sullivan-us-china-decoupling-fareed-zakaria-gps-vpx.cnn

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