Es ist der letzte große Auftritt des Xie Zhenhua (74). Bei der gerade in Dubai begonnenen Weltklimakonferenz (COP 28) wird der chinesische Verhandlungsführer nochmals im Mittelpunkt stehen. Seit 2007 hat er an allen COPs teilgenommen. Die COP 28 wird seine letzte sein. Unmittelbar danach tritt er ab. Aber wie wird er abtreten – als Held oder tragische Figur? In 14 Tagen werden wir es wissen.
Die COP 28 wird wieder ein Riesenspektakel, das bis zum 12. Dezember dauern wird. Rund 7000 Delegierte aus 198 Ländern werden erwartet. Regierungschefs und Könige werden auftreten, aber – Stand heute – kein Joe Biden und auch kein Xi Jinping. Sie vertrauen auf ihre Verhandlungsführer John Kerry und eben Xie Zhenhua. Sie werden die zentralen Personen bei COP 28 sein.
Positiv ist, dass sich die beiden gut verstehen. Sie haben sich in den vergangenen Jahren zu vielen Gesprächen und in Dutzenden Verhandlungsrunden getroffen. Es herrscht eine Vertrauensbasis zwischen beiden. Das zeigte sich Mitte November in Kalifornien, als die zwei einen Tag vor dem Biden-Xi-Gipfel eine Erklärung unterzeichneten: „Sunnylands Statement on Enhance Cooperation to Address the Climate Crisis.“ Kerry lobte hinterher: „China meint es ernst mit dem Klimaschutz.“ In der Erklärung verpflichten sich die beiden Länder unter anderem, ihre Produktionskapazitäten an erneuerbaren Energien bis 2023 zu verdreifachen. Der von Biden initiierte Inflation Reducing Act (IRA) wird dazu beitragen, in den USA den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. China ist ohnehin der weltgrößte Nutzer von Sonne und Windenergie (siehe dazu „ARTIKEL I Carbon Brief“ und „China´s Climate Transition: Outlook 2023“).
Nicht einig sind sich die USA und China bei einem zentralen Thema, das wohl im Mittelpunkt von COP28 stehen wird: Der „Loss-and-Damage-Fonds“. Die reicheren Länder sollen in diesen Fonds einzahlen, von dem dann wiederum die vom Klimawandel besonders betroffenen ärmeren Länder profitieren sollen. Der Fonds wurde im Prinzip auf der COP 27 beschlossen. Ein sogenanntes Transitional Committee hat mehrmals getagt und auf seiner letzten Sitzung Anfang November in Abu Dhabi einen Entwurf für die Struktur eines solchen Fonds vorgelegt (siehe Info).
Doch darin ist die wichtigste Frage ausgeklammert: Wer soll in diesen Fond einzahlen? Klar, die großen traditionellen Industriestaaten haben sich bereit erklärt. Aber wie werden sich die neureichen Staaten verhalten? Also diejenigen, die in den vergangenen Jahren zu Wohlstand gekommen sind, also vor allem die Golfstaaten und natürlich China. Die gastgebenden Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben gleich zu Beginn der Konferenz überraschend angekündigt, 100 Millionen Dollar in den Fonds einzuzahlen, und damit einen Benchmark gesetzt. Viele Augen richten sich auf China, auch die von Wopke Hoekstra. Der Niederländer ist seit Oktober als Nachfolger seines Landsmannes Frans Timmermans neuer EU-Kommissar für Umwelt. Hoekstra sagte kürzlich bei einem Meeting mit Journalisten: “Ich sage zu China und anderen Ländern, die ein bedeutendes Wirtschaftswachstum und einen wirklich größeren Wohlstand als vor 30 Jahren erlebt haben, dass damit Verantwortung einhergeht.“
China argumentiert bislang bei dieser Frage, dass es ja selbst noch ein Entwicklungsland sei und deshalb nicht einzahlen müsse. Andererseits steht China nicht nur unter Druck des Westens, sondern auch des Globalen Südens, der ein großes Interesse am Zustandekommen des Fonds hat. China, das sich ja als Anwalt des Südens versteht, steckt also in einem Dilemma. Dieses zu lösen, wird die große Aufgabe des Xie Zhenhua sein. China könnte sich mit einer Zusage, in den Fonds zu zahlen, sowohl temporäre Freunde im Westen als auch im Süden schaffen.
Sollte Xie das gelingen, könnte er sich als Held von Dubai in den Ruhestand verabschieden.
Info:
Eine gute Übersicht über Chinas Klimapolitik gibt die aktuelle Studie „Chinas´s Climate Transition: Outlook 2023“, herausgegeben vom Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA): https://energyandcleanair.org/wp/wp-content/uploads/2023/11/CREA_BOELL_Chinas-Climate-Transition-Outlook-2023_EN.pdf
Nis Grünberg von Merics über „Chinha und die COP28“: https://merics.org/de/pressemitteilung/china-und-die-cop28
Der früherer Greenpeace-Mitarbeiter Li Shuo analysiert in diesem Papier der Asia Society, was China von COP 28 erwartet:
Sunnylands Statement: https://www.state.gov/sunnylands-statement-on-enhancing-cooperation-to-address-the-climate-crisis/
Hier der Bericht des Transitional Committee über die Struktur des „Loss-and-Damage“-Fonds:
https://unfccc.int/sites/default/files/resource/TC5_4_Cochairs%20draft%20text_Rev2.pdf