POLITIK I Eskalation im Südchinesischen Meer

Die wenigsten werden bislang von Thitu Island gehört haben. Rund 200 Menschen leben dort, die meisten nicht freiwillig. Rund 500 Kilometer von der Küste der Philippinen entfernt sind die wenigen Bewohner meist Angehörige der Küstenwache und des Militärs. Thitu Island gehört zu den neun Inseln und Riffs im Südchinesischen Meer, die die Philippinen ausbauen wollen. Das kündigte Militärchef Romeo Brawner Mitte Januar im Camp Aguinaldo an, dem Hauptquartier der philippinischen Streitkräfte. Unmittelbar zuvor hatte er dort mit Präsident Ferdinand Marcos Jr. konferiert. Unter dem seit Januar 2022 regierenden Marcos Jr. fahren die Philippinen einen zunehmend aggressiveren Kurs im Südchinesischen Meer und provozieren damit die Chinesen, die dieses Gebiet in großzügiger Auslegung und mit Verweis auf historische Tatsachen für sich reklamieren und durch den Ausbau zahlreicher Inseln schon untermauert haben.

Während in den vergangenen Wochen und Monaten die Welt auf Taiwan schaute und sich über einen möglichen militärischen Konflikt ängstigte, verlor die mediale Öffentlichkeit im Westen den anderen Krisenherd etwas aus den Augen: das Südchinesische Meer. „Das Südchinesische Meer ist gefährlicher als die Taiwan-Straße“, sagt der chinesische Marineexperte Li Jie gegenüber der South China Morning Post. Fast wortgleich klingt die Einschätzung des amerikanischen Experten Brian Hart (CSIS): „The likelihood of a conflict is higher in the South China Sea than in the Taiwan Strait.“

Die beiden Kontrahentenm hier bei sind China und die Philippinen. Die anderen südostasiatischen Anrainer-Staaten (Vietnam, Indonesien, Malaysia), die alle auch Ansprüche im südchinesischen Meer angemeldet haben, halten sich eher diplomatisch zurück, auch weil sie wirtschaftlich von China abhängig sind. Warum spielen die Philippinen den starken Mann? Weil sie einen noch stärkeren Mann im Hintergrund haben – Uncle Sam. Mit den USA haben die Philippinen seit August 1951 einen Beistandspakt geschlossen. Das Verhältnis war immer ambivalent. Unter dem eher China-freundlichen Vorgänger Rodrigo Duterte war es nicht das beste. Doch seit Marcos Jr .im Amt ist, haben sich die Philippinen wieder den USA und dem Westen zugewandt. Marcos Jr. hingegen erlaubte dem US-Militär zu den bestehenden fünf Stützpunkten die Nutzung vier weiterer Stützpunkte auf den Philippinen, darunter auch einen im Norden nahe Taiwan. Zudem machten Luftwaffe und Marine beider Länder im November und Januar gemeinsame Übungen. Auch mit den Streitkräften aus Japan, Südkorea, Australien fanden vergangenes Jahr Manöver statt. Zudem bauten die Philippinen neben des USA mit weiteren westlichen Staaten die Militärkooperation aus. Mit Australien wurden die Beziehungen auf die Ebene einer strategischen Partnerschaft gehoben, mit Großbritannien und Kanada wurden Militärkooperationen vereinbart. Und selbst Deutschland versprach bei dem kürzlich erfolgten Besuch von Annalena Baerbock, der Küstenwache ein paar Drohnen zu schenken.

Mit dieser Rückendeckung fühlen sich die Philippinen stark genug, den Ausbau der neun Inselchen im Südchinesischen Meer zu forcieren. Neben den eingangs erwähnten Thitu Islands ist vor allem die Second Thomas Shoal (Chinesisch: Ren´ai Jiao) umstritten. Rund um diese Insel gab es in den vergangenen Monaten mehrere Zwischenfälle. Es gab Laser-Attacken und Beinahe-Kollisionen. Bislang wurde aber nur mit Wasserkanonen geschossen. Dass irgendwann bald „richtige“ Geschütze zum Einsatz kommen, ist nicht auszuschließen. Richard Heydarian, einer der besten Kenner der Region, schrieb in Asia Times: “Absent a robust diplomatic effort, the Philippines could be sleepwalking toward a direct confrontation with the increasingly jittery Asian superpower, a clash that could unintentionally set off a wider regional conflict.”

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