Wurst aus China? Da wendet sich ein süddeutscher Wurstesser wie ich mit leichtem Grausen ab. Verständnislos schaut er auf die schlanken, sehr künstlich aussehenden Schinkenwürstchen (huo tui chang, 火 腿 肠), die es an fast jedem Kiosk gibt, und die viele Chinesen zwischendurch und unterwegs verzehren wie unsereins Schokoriegel. Sie gelten als Kultsnack und stammen meist von Chinas führendem Wurstwarenhersteller Shuanghui aus der Provinz Henan. Shuanghui wiederum gehört zur chinesischen WH Group, einem der größten Fleischkonzerne der Welt. Etwas appetitlicher als die industrielle Massenware kommen die Würste daher, die vor allem im Süden und Nordosten des Landes noch fast handwerklich gefertigt werden. Vor allem in Guangdong sind die lap chong bekannt. In roter Farbe bestehen sie aus Schweinefleisch, in dunklerer eher bräunlicher Farbe aus der Leber diverser Tiere. Die länglichen, dünnen Würste werden an der Luft getrocknet, also nicht wie im Westen gekocht, gebrüht, gepökelt oder geräuchert. Zur Konservierung wird auch Zucker verwendet, sodass diese Würste einen leicht süßlichen Geschmack haben. Man isst sie auch nicht wie hierzulande kalt. Sie sind vielmehr Teil eines warmen Menüs. In ärmeren Zeiten galten sie als preiswerte Alternative zum Fleisch. Neben den kantonesischen lap chong sind noch die Würste aus Harbin bekannt – die roten Würste (hong chang, 红 肠). Sie haben in Aussehen und Geschmack viel mehr Ähnlichkeiten mit europäischen Würsten, was allerdings kein Wunder ist, denn sie sollen bereits vor über 100 Jahren via Litauen und Russland in Harbin, im Nordosten Chinas, eingeführt worden sein.
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