Deutschland und China haben eine lange Tradition der Wissenschafts-Kooperation. Sie reicht bis in die 70er Jahre zurück, als die Max-Planck-Gesellschaft und das Forschungszentrum Desy die Zusammenarbeit mit chinesischen Wissenschaftlern begannen. Viele Formen der Kooperation entstanden in den folgenden Jahrzehnten. Doch derzeit werden solche Kooperationen angesichts der aufgeladenen System-Diskussion – China wird als Rivale betrachtet – zunehmend in Frage gestellt. Vor allem die Politik stellt diese Frage. Aber was denken die unmittelbar Betroffenen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler? Bislang wusste man das nicht. Aber nun liegt eine Umfrage des Projekts WIKOOP-INFRA vor. Das Kürzel steht für den sperrigen Titel „Handlungs- und Orientierungssicherheit in wissenschaftlichen Kooperationen mit China – Untersuchungen an analytischen Forschungsinfrastrukturen“. Forscher dieses Projekts haben im Frühjahr 2023 eine anonyme Online-Befragung unter Wissenschaftlern durchgeführt. 388 haben den Fragenbogen komplett ausgefüllt. Die große Mehrheit arbeitete in der Grundlagenforschung an Universitäten oder Forschungsinstituten. 313 hatten Kooperationserfahrung mit Chinesen. Die Erfahrung beschränkte sich meist auf chinesische Gastforschende, die entweder als Doktoranden oder Postdoktoranden an deutschen Unis oder Forschungsinstituten arbeiteten. 63 Prozent bewerten ihre Erfahrungen mit chinesischen Wissenschaftlern grundsätzlich als gut bis ausgezeichnet. Zwei Drittel der Befragten verfolgten die chinesische Entwicklung aufmerksam bzw. sehr aufmerksam. Die Studie stellt fest: „Die internationale Sichtbarkeit der chinesischen Forschung hat sich in den letzten Jahren dramatisch erhöht.“ 34 Prozent der Befragten sehen China bereits auf Augenhöhe mit Deutschland, zehn Prozent gar auf höherem Niveau. Für 42 Prozent hat China das deutsche Niveau noch nicht ganz erreicht. Dass man mit einer solchen Wissensmacht zusammenarbeiten muss, sehen über die Hälfte der Befragten. 54 Prozent sehen in der Zusammenarbeit mit China einen großen Nutzen zur Lösung drängender globaler Herausforderungen.
Aber es gibt auch Kooperationsrisiken. Als größtes Risiko sehen die Forscher den „Wissensabfluss“. Denn bislang besteht die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu einseitig auf der Aufnahme von chinesischen Gastforschenden an deutschen Forschungseinrichtungen. Die gut ausgebildeten, hoch motivierten chinesischen Doktoranden und Postdoktoranden ermöglichen die Durchführung der arbeitsintensiven Grundlagenforschung hier in Deutschland. Nach wenigen Jahren verlassen sie Deutschland dann wieder Richtung China – mit viel Know-How (Erfahrungswissen) im Gepäck und im Gehirn. Die politische und öffentliche Diskussion zeigt Wirkung. Fragt man die Wissenschaftler nach der Zukunft der Kooperation mit China, erhält man ein sehr polarisierendes Ergebnis: 38 Prozent sind für eine Ausweitung der Kooperation, 24 Prozent lehnen eine solche ab.
Info:
Die „Ergebnisse der Umfrage zu wissenschaftlichen Kooperationen mit Partnern aus China“ können auf der Homepage von WIKOOP-INFRA“ heruntergeladen werden: https://www.wikoop-infra.de/