GESELLSCHAFT I Wo sich Chinas digitale Nomaden herumtreiben

Seit Jahren vagabundieren digitale Nomaden durch die westliche Welt. Das sind meist junge Leute, die kein festes Zuhause (und Büro) haben. Stattdessen pilgern sie von einem schönen Ort zu einem noch schöneren Ort, um dort jeweils ihre Arbeit zu verrichten. Ihr wichtigstes Handwerkszeug ist der Laptop, mit dem sie – Internet vorausgesetzt – überall auf der Welt mit dem Rest der Welt verbunden sind. Es ist eine kleine, aber wachsende Minderheit, die diese Freiheit außerhalb der Bürotürme und Großraumbüros genießt. Inzwischen hat dieser Trend auch China erreicht. Es sind weniger die globalen Nomaden, die China entdecken. Es sind eher die Chinesen, die aus verschiedenen Gründen die Metropolen verlassen, weil ihnen diese zu teuer sind, weil sie den 996-Stress nicht mehr aushalten, weil sie eine ausgeglichenere work-life-balance anstreben. 76 Prozent der nach 2000 geborenen Chinesen könnten sich ein digitales Nomadenleben vorstellen, ergab eine Umfrage der National School of Development an der Peking Universität sowie in dem Online-Portal Zhaopin. Freilich nur wenige steigen wirklich aus dem Hamsterrad der Karriere aus und werden digitale Nomaden, auch weil sich nicht jeder Beruf remote ausüben lässt. Viele Aussteiger haben kreative Berufe oder sind Softwareentwickler. Inzwischen haben sich einige Hotspots in China gebildet, wo sich die digitalen Nomaden treffen und arbeiten. Jing Daily hat soeben die „Top Chinese digital nomad locations in 2024” vorgestellt.  Natürlich gehört Dali dazu. Dieser Ort in der Provinz Yunnan ist schon seit den 90er Jahren ein Domizil von Aussteigern. Er liegt malerisch am Erhai-See. Im Hintergrund thronen die oft schneebedeckten Berge. „Snowy House“ heißt zum Beispiel eine Co-Working-Station, von denen es einige gibt. Daneben hat Dali westliche Bars und Restaurants mit der köstlichen Yunnan-Küche. In den vergangenen Jahren haben sich als Standort für digitale Nomaden Städte wie Anji (Zhejiang), Quanzhou (Fujian) und Wenchang (Hainan) entwickelt. Anji – drei Autostunden von Shanghai entfernt – ist die Bambusstadt Chinas. In einer ehemaligen Bambusholz-Fabrik hat sich die Digital Nomad Commune (DNA) niedergelassen. Quanzhou bietet laut Jing Daily eine „fusion of modern and traditional living“. Und in Wenchang auf der Tropeninsel Hainan locken Strände, das warme Klima und die Möglichkeit zu Surfen. Es sind also eher die kleineren Städte, die die digitalen Nomaden anlocken. Interessant: Diese Flucht aufs Land deckt sich mit den Wünschen der Regierung, dass junge Menschen wieder zurück aufs Land sollen. Aber immerhin eine Metropole hat es auf die Jing-Daily-Liste geschafft. Sie liegt nicht im Osten, sondern tief im Westen: Chengdu, die Hauptstadt der Provinz Sichuan. Sie entwickelt sich immer mehr zu einem attraktiven Standort gerade für junge Leute.

Info:

Hier der Artikel in Jing Daily: https://jingdaily.com/posts/no-regrets-top-chinese-digital-nomad-locations-in-2024

Und hier ein Guide für das digitale Nomaden-Leben in China: https://www.thedigitalnomad.asia/inspiration/digital-nomads/digital-nomad-china/

Ein Bericht über die Aussteiger-Hochburg Dali: https://www.baiguan.news/p/how-to-understand-young-people-in?utm_source=substack&utm_medium=email

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