WER MACHT WAS? Chinesische Thinktanks

Wang Huiyao (66) ist ein viel beschäftigter Mann. Er reist um die Welt, redet dort mit Politikern, Diplomaten, Managern, Wissenschaftlern und Journalisten. Gerade tourte er durch die USA, lud zu einem Dinner in New York ein, an dem ausgewählte Journalisten wie CNN-Moderator Fareed Zakaria und China-Experten wie Orville Schell teilnahmen. Und zuhause in Beijing empfängt er Delegationen aus aller Welt. Kürzlich waren innerhalb von acht Tagen gleich vier Delegationen aus Deutschland bei ihm in seinem Center for China and Globalization (CCG) zu Gast: Am 8. April empfing er das SPD-Wirtschaftsforum unter Leitung von Matthias Machnig, am 12. April den ehemaligen Spitzendiplomaten und langjährigen Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, am 14. April die Körber-Stiftung mit ihrem Vorstandsmitglied Thomas Paulsen und am 16. April eine CDU-Delegation mit Jens Spahn an der Spitze.

Wer ist dieser umtriebige Wang Huiyao, was ist dieses Center for China and Globalization? Der ehemalige Mitarbeiter des Handelsministeriums, Wang, gründete zusammen mit Mable Lu Miao 2008 das CCG. Es ist – so die Selbstdarstellung – „Chinas größter unabhängiger Thinktank“ mit über 100 Forschern. Ein soeben veröffentlichter Merics-Report nennt Wang & Co. „unofficial diplomats“. Und weiter heißt es in dem Report; „CCG’s branding as an independent organization allows it to play an important role explaining Chinese government positions to foreign counterparts and testing their reactions to foreign policy ideas without Beijing being committed or facing reputational risks.”

Das CCG ist sicher global einer der einflussreichsten chinesischen Thinktanks, aber bei weitem nicht der einzige. Über 1900 dieser Denkfabriken sollen aktiv sein. Was sie machen, wie sie zu unterscheiden sind, welche Agenda sie verfolgen – all das beschreibt der Merics-Report „Whispering Advice, Roaring Praises  – The role of Chinese think tanks under Xi Jinping“.  Die beiden Autoren Nis Grünberg und Grzegorz Strec nehmen zunächst eine Klassifizierung der Thinktanks vor. Rein formal unterscheiden sie drei verschiedenen Arten von Thinktanks:

  • „official“: Diese Thinktanks sind Bestandteil des Partei -und Staatsapparates. Beispiele hierfür sind das Development Research Center (dem Staatsrat unterstellt) und das Policy Research Center (dem ZK zuarbeitend).
  •  „semi-official“: Sie sind meist mit Universitäten oder Industrieverbänden verbunden. So ist zum Beispiel das Chongyang Institute for Financial Studies im engen personellen Austausch mit der Renmin Universität, aber gleichwohl überwiegend privat finanziert. In einer Zwitterolle zwischen Universitäten und Staat befinden sich Chinese Academy of Sciences (CAS) und Chinese Academy of Social Sciences (CASS), die als die beiden größten Thinktanks Chinas gelten.
  • „civil“ oder „non-official“: Beste Beispielel für diese Kategorie sind die 2013 gegründete Grandview Institution und das oben beschriebene Center for China and Globalization.

Letztere werden zum Teil privat finanziert. Aber – so die Autoren – „room for truly independent think tanks has become negligible, and even private think tanks are under political supervision.” In den letzten zehn Jahren seien unter Xi Jinping die Thinktanks mehr auf politische Linie gebracht worden. In diesem Zeitraum seien die chinesischen Thinktanks auch internationaler geworden. Das sei zum einen ein Vorteil: „Direct lines of communication with Chinese think tanks allow for more exchanges outside of official diplomatic channels, which is helpful to keep conversations going even at times of conflict.“ Andererseits warnen sie: „Foreign interlocutors must be aware of their Chinese partners’ political mission and current official objectives and talking points that come with their affiliation to party-state institutions.”

Info:

Hier der Merics-Report über die chinesischen Thinktanks: https://merics.org/sites/default/files/2024-05/MERICS%20Report%20Whispering%20advice%20roaring%20praises_May%202024_0.pdf

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