POLITIK I China in Belarus und auf Kuba der NATO entgegen

Wer jemals mit der Bahn aus dem Westen nach Moskau gefahren ist, kennt Brest. Dort musste der Zug auf die neue Spur gesetzt werden. Brest war früher die Grenzstadt zwischen der Sowjetunion und Polen. Heute gehört Brest zu Belarus (früher: Weißrussland), und die Grenze zu Polen ist keine Grenze mehr zwischen zwei sozialistischen Bruderstaaten, sondern hier stoßen zwei Machtblöcke aufeinander: die NATO und ein noch undefinierbarer und im Entstehen befindlicher östlicher Pakt, dessen Nukleus die Shanghai Corporation Organisation (SCO) sein könnte, in die Belarus soeben beim Gipfel in Astana als zehntes Mitglied aufgenommen wurde.  

Just in diesem Brest also fand vom 8. bis 19. Juli ein Manöver belarussischer und chinesischer Militärs mit dem Namen „Angreifender Falke“ statt. Man nannte es aber offiziell nicht Manöver, sondern weniger provokativ Anti-Terror-Übung. Aber natürlich ist es aus Nato-Sicht eine Provokation, wenn rund fünf Kilometer von der Grenze zum Nato-Mitglied Polen entfernt eine Militärausbildung mit Beteiligung der 80th Group Army der PLA stattfindet. Zwar haben belarussische und chinesische Militärs schon mal zusammen geübt, aber das war in China, in Jinan. Doch an der Grenze zur Nato ist es ein Novum. Der belarussische Vizegeneralstabschef Wladimir Kuprijanjuk hat denn auch, als er in einem Pressebriefing die gemeinsame Übung erklärte, die Nato im Visier: Man beobachte – sagte er – an der südlichen Grenze zu Polen einen systematischen Aufbau von Nato-Einheiten. Von 20 000 zusätzlichen Soldaten sei die Rede.

Während sich China also dem europäischen Teil der Nato nähert, ist es vor den Toren Nordamerikas schon präsent. Kurz vor der Übung in Belarus veröffentlichte am 1. Juli in Washington der amerikanische Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS) Fotos von angeblichen chinesischen Spionageeinrichtungen auf Kuba, was ja bekanntlich vor den USA liegt. Die Autoren präsentierten in ihrem Report „Secret Signals“ Satellitenbilder, die „an unprecedented look at four active sites in Cuba capable of conducting electronic surveillance operations” bieten. Die vier kubanischen Standorte, an denen China riesige Antennen (zwischen 130 und 200 Meter Durchmesser) installiert hat, sind El Salao, Wajay, Calabazar und Bejucal. Letztgenannter Standort hatte schon einmal eine welthistorische Rolle. 1962 hatte die Sowjetunion Bejucal als Standort für auf die USA gerichtete Atomwaffen auserkoren, was damals die Kubakrise auslöste und die Welt an den Rand eines dritten Weltkrieges brachte. So weit sind wir heute noch (lange) nicht.

Aber die beiden Ereignisse in Belarus und auf Kuba zeigen, dass China seine militärische Präsenz ausweitet. Der Zeitpunkt beider Ereignisse deutet eher auf Absicht als Zufall hin. Denn vom 9. bis 11. Juli fand in Washington der große Jubiläumsgipfel der Nato statt, bei dem das westliche Militärbündnis seinen 75. Geburtstag feierte. Dort wurde im Schlusscommuniqué China als systemischer Rivale eingestuft und ein stärkeres Engagement im Indo-Pazifik angekündigt (siehe DOKU I Nato Commnuniqué).

Beide – die Nato und China – bewegen sich also aufeinander zu, allerdings nicht unbedingt in friedlicher Absicht.

Info:

Hier der CSIS-Report „Secret Signals“: https://features.csis.org/hiddenreach/china-cuba-spy-sigint/

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