Wan Hua Zhen (II) I Die bösen Rettiche – die Kolumne von Liu Zhengrong

Die Stadt Wuhan macht wieder Schlagzeilen, landesweit. Die Taxifahrer in der Stadt protestierten in den Juli-Tagen gegen die „bösen Rettiche“ – die Luobo-Taxen, die mit ihnen um Kunden kämpfen. Luobo ist Rettich(e) auf Chinesisch. Man muss nicht Chinesisch können, um zu erahnen, dass „Luobo“ phonetisch an „Robo“ erinnert. Das ist auch so gewollt. Der Mutterkonzern hinter Luobo Kuaipao, das ist der vollständige Name des fahrerlosen Fahrdienstes (萝卜快跑= schnell laufender Rettich), ist kein Geringerer als Baidu, das chinesische Gegenstück zu Google. Obwohl dieser Vergleich in der Gesamtheit längst nicht mehr so zutreffend ist, wie er vor zehn Jahren war:  Was Waymo für Google in San Francisco, ist Rettich, pardon, Luobo, für Baidu in Wuhan.      

Und siehe da, eine ähnliche Kontroverse wie im Westen brach in China aus: Menschen gegen Maschinen – der kleine Mann gegen das große Kapital.

Etwa 20 000 Taxen gibt es in der Zehn-Millionen Stadt Wuhan. Dazu rund 200 000 registrierte „Uber“-Fahrer, die Mehrheit von ihnen in Teilzeit. Uber hat China längst verlassen. Didi ist der heimische Marktführer, obwohl alle Chinesen mehrere Fahrdienst-Apps auf ihren Smartphones haben. Sektorale, monopolartige Dominanz in der digitalen Wirtschaft, längst „Normalität“ bei uns, von Airbnb über Paypal bis Uber, kennt China nicht.

Zurück zu den Rettichen. Wuhans Stadtverwaltung beeilte sich zu erklären, es seien bislang nur 400 Robo-Taxen zugelassen, und das auch noch mit zahlreichen Auflagen. Will heißen: eine vernachlässigbare Größenordnung und keine ernste Konkurrenz für die klassischen Taxen.

Was den Menschen Kummer bereitet, ist jedoch nicht das tatsächliche Zahlenverhältnis. Es ist das Gefühl, wieder in den Strudel einer neuen Verdrängung zu geraten. Denn die Fahrer des traditionellen Taxi-Gewerbes leben schon jetzt am Rande ihrer Existenz. Rückzugsraum, um sich noch mehr verdrängen zu lassen, gibt es kaum noch. Entsprechend hoch war auch die Sympathie im Netz für die Fahrer im Ausstand.

Die Menschen in China gelten lange als grundsätzlich technikbegeistert und experimentierfreudig Mit dem Einzug des Wohlstands ist die Haltung allmählich differenzierter geworden. So liest man jetzt, „was technisch möglich ist, müsste noch lange nicht gut sein für Minsheng.“ Minsheng, 民生 – das tägliche Leben der Normalos. Das sind neue Töne. Sie kommen von denselben Menschen, die sich pragmatisch mit einer werdenden und sich wandelnden Wohlstandsgesellschaft auseinandersetzen. 

Die neue Welle des autonomen Fahrens wird sich nicht davon abhalten lassen. Die Rettiche von Baidu rollen schon in zehn Städten. Shanghai kündigte am 16. Juli an, noch vor Monatsende mit einem eigenen fahrerlosen Fahrdienst in die Testphase zu gehen, die „anders konzipiert ist als das Wuhan-Modell“. Ein beiläufiger Seitenhieb. So ist der innerchinesische Konkurrenzdruck seit jeher. Chinesische Anbieter, viele von ihnen oft mit den jeweiligen Provinzregierungen verbandelt, wollen sich wappnen gegen große Konkurrenz. Denn Teslas FSD („Full-Service Driving“) drängt mit Nachdruck nach China. Elon Musk war deswegen Ende April persönlich in Peking vorstellig. Die jüngste innenpolitische Entwicklung in den USA könnte seine Chancen in China weiter steigen lassen. 

Überhaupt sollte man auf Elon Musk ein Auge werfen. Nicht wegen Tesla, sondern wegen seines möglichen Einflusses auf die amerikanische China-Politik ab dem nächsten Jahr. In Trumps Umfeld ist er der Einzige, der vom Staatspräsident Xi empfangen wurde. Eben auf der besagten April-Reise. 

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