POLITIK I Warum Pistorius durch den Pazifik tourte

Während fast alle Kabinettsmitglieder schon ihren Urlaub angetreten hatten oder noch auf Sommerreisen durch die deutschen Lande unterwegs waren, begab sich Verteidigungsminister Boris Pistorius Anfang August auf eine dienstliche Weltreise: Hawaii-Seoul-Manila. Pistorius kümmert sich wie kein anderer Verteidigungsminister um die Region Indo-Pazifik. Schon im Juni vor einem Jahr war er als erster deutscher Verteidigungsminister beim Shangri-La-Dialogue in Singapur dabei. Und nun diese strapaziöse Reise in die in mehrfacher Hinsicht heiße Region. Nach 14 Stunden landete Pistorius am 1. August auf Hawaii. Dort traf er den amerikanischen Pazifik-Kommandeur Admiral Samuel Paparo, aber auch deutsche Militärs. Denn vor Hawaii findet derzeit mit RIMPAC 2024 das größte Manöver der Welt statt:  25 000 Soldaten aus 29 Ländern sind beteiligt. Und mit dabei die deutsche Fregatte Baden-Württemberg, der Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main, drei Eurofighter und zwei Transportflugzeuge A400 M. Auf der Baden-Württemberg verbrachte Pistorius einen ganzen Tag und eine Nacht in einer Einzelkoje, ehe er am Sonntag (4. August) auf die Philippinen weiterflog. Dort wurde er „überschwänglich empfangen“ schreibt die mitreisende ZEIT-Autorin Xifan Yang. Für den ersten deutschen Verteidigungsminister, der die Philippinen besucht, wurde der rote Teppich ausgerollt. In Manila verkündete er für demnächst eine „bilaterale Ressortvereinbarung“ an, was immer auch darunter zu verstehen ist. Sein philippinischer Kollege Gilberto Teodoro deutete an, dass er deutsche Waffen kaufen wolle. Von Manila reiste Pistorius weiter nach Südkorea, wo er unter anderem die berühmte entmilitarisierte Zone zu Nordkorea besichtigte.

Warum diese Reise in ferne Gegenden, wo doch vor der Haustüre genügend Probleme zu lösen sind (Ukraine, Naher Osten, Haushaltsstreit). „Wozu diese Werbetour?“ fragt Xifan Yang und gibt gleich die Antwort, indem sie Pistorius paraphrasiert: „Präsenz, Präsenz, Präsenz, bekräftigt Pistorius, einmal allen Hallo sagen, danach sehe man weiter.“

Es geht bei dieser Reise fast ausschließlich um Symbolik. Denn militärisch macht dieses Aufkreuzen deutscher Kriegsschiffe und Kampfjets keinen großen Sinn. Aber damit soll vor allem den USA und seinen asiatischen Verbündeten signalisiert werden: Wir lassen euch nicht allein im Pazifik. Der westliche Teil des Pazifiks wird zunehmend zu einem gefährlichen Brandherd. Dort liegt Taiwan, dort liegt das Südchinesische Meer, in dem China gewaltige Gebietsansprüche reklamiert. Dort treffen die beiden Supermächte USA und China direkt aufeinander.

Will sich Deutschland in diesen potenziellen Konflikt durch seine Präsenz vor Ort einmischen? Flottenadmiral Axel Schulz sagt gegenüber der Stuttgarter Zeitung: „Was wir hier machen, ist nicht gegen China gerichtet.“ Auch Pistorius will bei seinen offiziellen Statements und Hintergrundgesprächen mit den mitreisenden Journalisten den Eindruck vermeiden, dass das deutsche Engagement im Pazifik gegen China gerichtet sei. Stattdessen betonte er auf allen Stationen seiner Reise fast mantramäßig, dass der Zweck der Reise vor allem sei, der regelbasierten internationalen Ordnung Geltung zu verschaffen. Das bedeutet vor allem freie Schiffahrtswege durch die Ozeane. Und da spielt der Pazifik eine entscheidende Rolle, denn durch ihn führt ein Großteil des internationalen Handels. „Auch für uns und Europa insgesamt ist es von großer Bedeutung, dass die Region im Indo-Pazifik stabil ist“, sagte Pistorius auf Hawaii. Das gilt übrigens aber auch für China, denn fast alle verschifften Exporte müssen durch den Pazifik.

No Comments Yet

Comments are closed