POLITIK I Wie Harris und Walz zu China stehen

Ehemänner haben die Neigung, das Datum ihrer Hochzeit zu vergessen. Auch Tim Walz (60), von Kamala Harris soeben zu ihrem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft auserkoren, gehört offenbar zu dieser unzuverlässigen Spezies. Deshalb hat er ein Datum gewählt, an das er sich lebenslang erinnern kann: den 4. Juni. Dies ist der Tag des Tiananmen-Massakers des Jahres 1989. An jenem Tag war Walz in China, nicht in Beijing, sondern in Foshan, ganz im Süden des Landes. Dort unterrichtete der junge Walz an der elitären No. 1 High School Englisch und amerikanische Geschichte.

Walz ist seit langem mal wieder ein US-Politiker mit gelebter China-Erfahrung (der letzte war George H. W. Bush, der  Mitte der 70er Jahre das US-Verbindungsbüro in China leitete). Kaum war Walz von Harris als ihren Vize auserkoren, wurden die Geschichten um seinen China-Aufenthalt ausgegraben und generell seine Einstellung zu China unter die Lupe genommen. Walz war 1989 im Rahmen des WorldTeach Programm der Harvard University in China. Später charakterisierte er seine Entscheidung in China zu unterrichten, als „one of the best things I´ve ever done“. Zur damaligen Motivation sagte er: „China was coming, and that’s reason that I went.” Auch nach seinem Jahr in Foshan blieb er China treu. 1994 gründete er zusammen mit seiner Frau Gwen Whipple, ebenfalls eine Lehrerin, das Unternehmen Educational Travel Adventures, das Summer Camps für Schüler in China anbot. Über 30mal soll er in China gewesen sein. Öfters äußert er sich positiv über China. Er bezeichnete die Chinesen als „kind, generous, capable.“ 2016 sagte er in einem Interview: „I don’t fall into the category that China necessarily to be an adversarial relationship.” Solche Aussagen brachten ihm Kritik von den Republikanern ein. Richard Grenell: „No one is more pro-China than Marxist Walz.” Oder Tom Cotton (Senator aus Arkansas): “Tim Walz owes the American people an explanation about his unusual, 35-year relationship with Communist China.” Aber solche Urteile blendeten die andere Seite von Walz aus. Denn er kritisierte stets den – wie er es nennt – kulturellen Genozid, den China in Tibet und Xinjiang verübe. Und er traf auch den Dalai Lama.

Walz kann also, im Gegensatz zu Kamala Harris, China-Erfahrung vorweisen kann. Sie war zwar viermal als Vizepräsidentin in der indo-pazifischen Region, aber nie in China. Einmal – und zwar beim APEC-Gipfel im November 2022 in Bangkok – traf sie auch Xi Jinping. In dem Gespräch plädierte sie für „open lines of communication to responsibly manage the competition between our countries”. Es sind relativ wenige öffentliche Aussagen von ihr zu China bekannt. Das Magazin Newsweek und der Sender Voice of America stellten jeweils eine Übersicht zusammen. Sie plädiert für De-Risking statt De-Coupling: „It´s not about pulling out, but it is about ensuring that we are protecting our interest.” (CBS-Interview im September 2023). Sie kritisierte Trumps Zollpolitik gegenüber China. In einer Diskussion mit dessen damaligem Vize Mike Pence in Salt Lake City sagte sie im Oktober 2020: „You lost the trade war, America lost it. America lost 300 000 manufacturing jobs. Farmers have experienced bankruptcy because of it.” In ihren außenpolitischen Statements kritisierte sie Chinas Auftreten im Südchinesischen Meer. In der Taiwan-Frage legte sie sich bei einem Besuch der USS Howard in der japanischen Yokosuka Base fest: „The US will continue to oppose any unilateral change to the status quo. And we will continue to support Taiwan’s self-defense.” Bei diesem Besuch auf dem amerikanischen Kriegsschiff bekannte sie sich auch zu einem weiteren Engagement des US-Militärs im Pazifik: „We will continue to fly, sail, and operate undaunted and unafraid wherever and whenever international law allows.“ Als Senatorin engagierte sie sich für die Menschenrechte in Hongkong und Xinjiang und arbeitete sowohl beim Hong Kong Human Rights and Democracy Act (2019) als auch beim Uyghur Human Rights Policy Act (2019) mit.

Wird das Duo Harris/Walz – sollten sie gewählt werden – die Bidensche China-Politik ändern oder fortführen? Der Großteil der Beobachter geht von Letzterem aus. Nur wenige fordern eine Kursänderung. Kaiser Kuo zum Beispiel. Der bekannte Publizist schrieb am 7. August einen offenen Brief: „Dear President-Elect Harris: Let´s talk about China.” Darin appelliert er an Harris:  “You have a rare opportunity to recast the relationship, to reject what too many have assumed to be a baked-in bipartisan consensus in Washington and to chart a new path with China for the good of not just Americans and Chinese, but of all of humanity and the planet we call home.”

Info:

Hier die Übersichten von Newsweek und Voice of America über die Statements von Kamala Harris zu China: https://www.newsweek.com/what-kamala-harris-has-said-about-china-1933632 und https://www.voanews.com/a/a-look-at-harris-views-on-u-s-policy-toward-china/7709060.html

Und hier der offene Brief von Kaiser Kuo an Kamala Harris: https://substack.com/@kaiserykuo/p-147433000

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