WISSENSCHAFT I Getrennte Welten

Die USA sind für viele chinesische Studierende und Wissenschaftler das gelobte Land. Oder muss man sagen: Waren das gelobte Land? Denn die Zahl der chinesischen Studierenden und Forschenden in den USA nimmt ab und gleichzeitig steigt die Zahl der wissenschaftlichen Rückkehrer aus den USA. Die South China Morning Post präsentierte kürzlich eine Liste prominenter chinesischer Wissenschaftler, die in den vergangenen Monaten und Jahren die USA Richtung China verlassen haben. Hier ein paar Namen aus dieser Liste der Flüchtlinge: die Mathematiker Song Sun, Xin Sun und Yau Shingtung, der Biochemiker Guan Kunliang, der Physiker Zhang Yongbao, der Hirnforscher Fu Xiaodong. Sie waren alle an den Top-Unis – der sogenannten Ivy-League – beschäftigt. Und sie wechselten alle an renommierte Hochschulen in China – Beida, Tsinghua, Fudan – oder auch an private Hochschulen wie die Westlake University in Hangzhou. Nach einer Stanford-Studie („Reverse brain drain? Exploring trends among Chinese scientists in the US”) haben zwischen 2011 und 2021 knapp 20 000 chinesische Wissenschaftler die USA verlassen. Dieser Trend hat zwei Ursachen. Die eine liegt an den USA, die andere an China. In den USA haben die anti-asiatischen Ressentiments zugenommen. Diese fingen unter Trump an. Unter ihm beschloss das Justizministerium die „China Initiative“, bei der chinesische oder chinesisch-stämmige Wissenschaftler in den USA stärker beobachtet werden sollten. Diese Initiative wurde unter Biden zwar gecancelt, aber das Misstrauen blieb. Andererseits ködert der chinesische Staat schon seit Jahren chinesische Wissenschaftler im Ausland (aber nicht nur die) mit viel Geld und bester Ausstattung.

So hat in den vergangenen Jahren eine zunehmende Entfremdung zwischen den beiden Wissenschaftsnationen China und USA stattgefunden. Und diese bezieht sich nicht nur auf den personellen Austausch zwischen den beiden Ländern. Man kooperiert auch weniger, man zitiert sich gegenseitig weniger. „Both countries are focused very much on trying tob e self-sufficient in science and less international”. Das sagt die Wharton-Professorin Britta Glennon in einem Interview mit Wharton Business Daily. Sie ist eine von fünf Autoren der Studie „Building a Wall around Science. The Effect of US-China Tensions on International Scientific Research”. Sie erschien bereits im Juli, wurde aber im Oktober überarbeitet. Die Studie des National Bureau of Economic Research (NBER) untersucht, welche Folgen diese zunehmende Entfremdung der beiden Sphären auch auf die internationale Wissenschaft hat. Ihr Fazit: “Our results  indicate that increasing isolationism and geopolitical tension lead to reduced talent and knowledge flows between the U.S. and China, which are likely to be particularly damaging to international science.”

Info:

Hier das Stanford-Papier über den „Reverse brain drain“: https://sccei.fsi.stanford.edu/china-briefs/reverse-brain-drain-exploring-trends-among-chinese-scientists-us

Hier die Studie des NBER „Building a Wall around Science“: https://www.nber.org/papers/w32622

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