WIRTSCHAFT I Nach der Asien-Pazifik-Konferenz: Bitte weniger Politik, mehr Unternehmerschaft / Eine kritische Nachlese von Bernd Reitmeier

Am vergangenen Wochenende fand in Delhi die 18. Asien-Pazifik-Konferenz (APK) der deutschen Wirtschaft statt. Bernd Reitmeier hat an einigen dieser alle zwei Jahre stattfindenden Konferenzen teilgenommen – erst als Mitarbeiter der Auslandshandelskammer in Shanghai, dann als Geschäftsführer der Startup Factory im chinesischen Kunshan, die Mittelständler beim Markteintritt Platz und Rat bietet und inzwischen auch Ableger in den USA und Indien hat. Diesmal hat sich Reitmeier über den Verlauf der APK aufgeregt und noch am Abend des letzten Tages in seinem Hotelzimmer eine Kritik verfasst, die er über Linkedin verbreitete und die ich hier mit Genehmigung des Autors hier wiedergebe.

Die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft im indischen Neu-Delhi war meine sechste APK in Folge, und irgendwie bekomme ich das Gefühl nicht los, dass uns unsere Gastgeber in Asien jedes Mal ein Stück weniger ernst nehmen. Obwohl – oder vielleicht, gerade weil – die politische Präsenz Deutschlands mit Bundeskanzler, Wirtschaftsminister und Arbeitsminister so hoch wie nie zuvor war.

Liegt es daran, dass Deutschland dem Kontinent Asien nicht mehr ausreichend viel zu bieten hat? Bringen wir Themen und Lösungen mit, die der Region wirklich weiterhelfen? Gelten wir in irgendwelchen Technologiefeldern noch als Innovationsführer?

Über allen Themen schweben heute geopolitische Spannungen. Können Politik und Verbandslandschaft in Deutschland nach fast drei Jahren De-coupling, Di-versification und De-risking nicht endlich mal damit aufhören, Unternehmen auf der einen Seite zu belehren, wie sie mit unternehmerischen Risiken umzugehen haben und andererseits Ländern moralische Grenzen aufzuzeigen? Ich würde gerne mal wieder an einer Veranstaltung zu Asien teilnehmen, bei der nicht „De-irgendwast“ wird, sondern über Marktpotential und Möglichkeiten der Zusammenarbeit gesprochen wird. Wo man sich trifft, sich offen über strategische Fehler bei der Marktbearbeitung austauscht und Partnern auf Augenhöhe begegnet.

Ich schäme mich, wenn unser Kanzler als Gast in Indien zu Beginn seiner Rede Präsident Modi belehrt, dass demokratische Länder sich nicht mit Autokratien austauschen sollten.  Arbeitsminister Heil verkündet stolz, dass nun tausende hochqualifizierte indische Pflegekräfte in Deutschland arbeiten dürfen. Wenn jemand in unseren Firmen versucht, hochqualifizierte Mitarbeiter abzuwerben, fliegt er hochkant aus unserem Büro. Wir müssen wieder lernen, uns als Gast in der Welt zu benehmen!

Verstehen Sie mich nicht falsch: Politische Flankierung von wirtschaftlichen Aktivitäten ist vor allem für mittelständische Unternehmen, die in Asien Fuß fassen und erfolgreich sein wollen, von enormer Bedeutung. Dazu müssen unsere Politiker aber auch bereit und in der Lage sein, eine regelmäßige Nähe, fast Freundschaft zu ihren asiatischen Kollegen aufzubauen. Beides scheint mir momentan zu fehlen. Wir dürften dann auch nicht nur unsere Themen adressieren, sondern müssten uns mit den Anliegen und Problemen der Region beschäftigen. Ich war schon glücklich, dass es keine Panels zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gab. Es ist traurig genug, dass wir ständig unser einziges Wohlstandsmodell Globalisierung ernsthaft vor der Welt in Frage stellen.

Ändern können dies nur die Organisatoren der Veranstaltung. Statt vier Bundespolitikern Plattformen für ihre Themen zu geben, sollte man wieder mehr Unternehmen einbeziehen. An Unternehmern, die sich gerade aktiv mit asiatischen Märkten neben China beschäftigen, fehlt es sicher nicht.

In der Vergangenheit saßen zahlreiche Minister aus asiatischen Nachbarländern auf Panels, denen man gerne zugehört hat. Diesmal war nur Industrieminister Namgyal Dorji aus Bhutan anwesend. Gut, Bhutan stand bisher nicht auf unserer Liste, aber zumindest scheint er gut gelaunt gewesen zu sein. Muss ich denn extra nach Neu-Delhi, um Frau Stark-Watzinger zu hören? Wo sind die Kevin Rudds oder Kishore Mahbubanis, die uns erklären, wie Asien wirklich funktioniert und welche Rolle Deutschland und Europa spielen sollten? Laut Statuten transportiert der BDI die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Momentan erscheint mir genau das Gegenteil der Fall zu sein.

Selbst Wikipedia weiß: Der Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (APA) ist eine Interessenvertretung deutscher Unternehmen für die Förderung von Handel und Investitionen zwischen Asien und Deutschland in beide Richtungen. Als Vordenker des APA gilt Berthold Leibinger, der im April 1992 auf der 4. Asien-Pazifik-Konferenz in Seoul die Gründung einer Asien-Initiative der deutschen Wirtschaft angeregt hat. Wo sind heute die Heinrich von Pierers, Jürgen Hambrechts, Peter Löschers oder Hubert Lienhards, die als Vertreter der deutschen Großindustrie mit ihrem Gespür für Asien noch den Weg frei gemacht haben für Hunderte von Mittelständlern?

Ich wünsche mir wieder mehr Unternehmerschaft und weniger Politik, mehr Demut und weniger Belehrung, mehr Selbstkritik und weniger Forderungen!

Dann nehme ich  2026 in Seoul auch gerne wieder teil und freue mich auf mehr als nur ein paar Flaschen Wasser zum Abendempfang.

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