China hat ein doppeltes Problem. Junge Leute sind immer weniger bereit zu heiraten. Folglich gibt es auch immer weniger Kinder.
In den ersten drei Quartalen dieses Jahres gab es gerade mal 4,74 Millionen Hochzeiten. Das sind 16,6 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, vermeldet das Ministry of Civil Affairs. Wie dramatisch der Rückgang ist, zeigt die Vergleichszahl im Jahre 2013: Damals gaben sich über 13 Millionen chinesische Paare das Ja-Wort. Logische Folge der Heiratsverweigerung: Die Zahl der Geburten geht auch zurück. 2022 betrug die Fruchtbarkeitsrate gerade mal 1,09. Chinas Bevölkerung nimmt also ab. Das gefällt der Regierung gar nicht. Deshalb hat sie bereits Anfang 2016 die Ein-Kind-Politik gelockert. Künftig durfte man zwei Kinder haben. Als das nicht fruchtete, erlaubte man Ende August 2021 sogar drei Kinder. Doch die Zahl der Geburten stieg nicht. Die Gründe sind schon oft beschrieben worden: Teure Kindererziehung, fehlender Mutterschutz in den Betrieben, Trend zum Single-Leben etc.
Nachdem in den vergangenen Jahren zahlreiche Städte versuchten, finanzielle Anreize zum Heiraten zu schaffen und das Kinderkriegen zumindest partiell zu unterstützen, hat sich nun die Zentralregierung des Themas angenommen. Am 28. Oktober verkündete der Staatsrat „Several Measures in Accelerating the Improvement of Birth Support Policy System to Promote the Establishment of a Birth-Friendly Society”. Genau genommen sind es 13 Maßnahmen, die die Regierung einführen will, um eine geburtenfreundliche Gesellschaft zu etablieren. (Am Rande bemerkt: 13 ist im Chinesischen keine Unglückszahl, sondern es ist die vier). So soll es Steuervorteile und Zuschüsse bei Geburten geben. Frauen und Männer sollen leichter Auszeiten zur Betreuung von Kleinkindern bekommen. Die Angebote zur Kinderbetreuung in Kitas und Schulen sollen verbessert werden. Familien mit mehreren Kindern soll beim Wohnungskauf geholfen werden. Zudem sollen neue Plattformen zur Partnersuche für junge Leute etabliert werden. Wer das umsetzen soll (häufig werden in dem Text die Kommunen angesprochen) und wer das alles finanzieren soll, wurde (noch) nicht thematisiert.
In der Bevölkerung wurde das Maßnahmenbündel mit vorsichtiger Skepsis aufgenommen. Man wartet ab, bis man mehr Konkretes erfährt. Unter gewissen Intellektuellen ist man hingegen optimistischer. So schreiben Liang Jianzhang und Huang Wenzheng (der eine ist Gründer des Yuwa Population Research Institute, der andere Mitarbeiter des Thinktanks): Das sei „the most pro-active document on childbirth in China´s modern era.“ Allerdings gehen auch ihnen einige der Vorschläge nicht weit genug oder sie seien zu unkonkret. Sehr konkret sind dagegen ihre Vorschläge zu einem Kindergeld, das nicht von den Kommunen, sondern von der Zentralregierung ausgezahlt werden soll: 1000 Yuan (130 Euro) monatlich für das erste Kind, 2000 Yuan für das zweite und 3000 Yuan für das dritte. Das wären mal finanzielle Anreize. Ob die Regierung soviel Mut (und Geld) hat?
Info:
Hier die Mitteilung des Staatsrats vom 28. Oktober: https://english.www.gov.cn/policies/latestreleases/202410/28/content_WS671f6db9c6d0868f4e8ec5dc.html
Hier der von „The East is Read“ übersetzte Kommentar von Liang Jianzhang und Huang Wenzheng: https://www.eastisread.com/p/chinese-demographers-hail-milestone