Shenzhen war Ende der 70er Jahre zu Beginn der Reformpolitik eine der ersten chinesischen Sonderwirtschaftszonen. Es war quasi ein politisches und wirtschaftliches Labor. Hier durften Dinge ausprobiert werden, die bei Erfolg auch im Rest der Volksrepublik angewandt wurden. So war es früher, und so ist es auch heute noch. Jüngstes Beispiel: In keiner chinesischen Stadt wird die low-altitude industry so gefördert wie in Shenzhen. Zur low-altitude industry zählen alle Flugobjekte, die Personen oder Waren im Luftraum bis zu einer Höhe von einem Kilometer befördern. Das sind Drohnen und Flugtaxis, im Fachjargon electrical Vertical take-off and landing (eVTOL) genannt.
Shenzhen ist schon länger die Hauptstadt der Drohnen. Hier wurde der größte Drohnenhersteller der Welt DJI gegründet. Inzwischen soll es 1700 Drohnenfirmen in der Stadt geben. Der Essenslieferdienst Meituan liefert bereits seit März 2024 Essen per Drohne. Wer zum Beispiel in einem der zahlreichen Parks in Shenzhen picknicken will, kann sich per Drohne beliefern lassen. Innerhalb von zehn Minuten wird geliefert.
Neben den Drohnen setzt Shenzhen aber auch auf elektrisch betriebene Flugtaxis. Noch gibt es nur erste Demonstrationsflüge. Zum Beispiel von AutoFlight zwischen Shenzhen und Zhuhai. Aber jetzt schon plant Shenzhen für die Zukunft. Die lokale Development and Reform Commission kündigte am 5. November an, rund 12 Milliarden Yuan (1,56 Milliarden Euro) in den nächsten zwei Jahren in die low-altitude economy zu investieren. Über 1200 Landeplätze für Drohnen und Elektroautos sollen geschaffen werden.
Just am gleichen Tag tagte in Beijing zum ersten Mal die low-altitude industry development leading group des Ministeriums für Industrie und Informationstechnik (MIIT). Für Chinas Führung sind Drohnen und Flugtaxis eine Zukunftstechnologie, die entsprechend unterstützt wird.
Anders in Deutschland. Hier und da zeigen sich deutlich die unterschiedlichen industriepolitischen Ansätze zwischen China und Europa, wo diese Industrie offenbar keine Priorität hat. Das sieht man am aktuellen Beispiel des deutschen Herstellers Lilium, der seit 2015 in Gauting vor den Toren Münchens Flugtaxis entwickelt. Über eine Milliarde Euro hat das Unternehmen bereits „versenkt“. Im Sommer war Lilium mal wieder in einer Liquiditätskrise. 100 Millionen Euro wurden dringend benötigt. Das Management klopfte in München und Berlin an. Die bayerische Regierung war bereit für 50 Millionen Euro zu bürgen, wenn der Bund für den gleichen Betrag bürgt. Doch der Haushaltsausschuss des Bundestags weigerte sich, vor allem weil sich die Grünen querlegten. Die Folge: Lilium musste Insolvenz anmelden. Aber immerhin genehmigte das zuständige Amtsgericht Weilheim eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Bis Jahresende hat Lilium Zeit, einen Käufer oder Investor zu suchen. Auch chinesische Investoren sollen an Lilium, das ein Tochterunternehmen in Shenzhen hat, interessiert sein. Der andere schwächelnde deutsche Hersteller Volocopter steht bereits vor einer Übernahme durch den chinesischen Autobauer Geely.
Die low-altitude-economy – ein Lehrstück, wie China Zukunftstechnologien fördert, während Deutschland sich der Zukunft verweigert.