Am 11. Dezember wird in Stockholm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Er geht dieses Jahr an die Koreanerin Han Kang („Die Vegetarierin“) . Sie ist die erste Asiatin, die diese Auszeichnung bekommt. Eine andere Asiatin, die seit Jahren in der engeren Wahl zumindest der Beobachter war, ging auch dieses Jahr wieder einmal leer aus: die Chinesin Can Xue. Die 81jährige gilt als wichtigste Vertreterin der experimentellen literarischen Avantgarde in China, ist aber hierzulande nur wenig bekannt.
Can Xue wurde 1953 in Changsha als Deng Xiaohua geboren. Ihre Eltern waren Journalisten. Damit waren sie Intellektuelle und wurden in der Kulturrevolution verfolgt. Can Xue wuchs deshalb bei ihrer Großmutter auf. Es reichte gerade mal zu einem Grundschulabschluss. 1978 heiratete sie Lu Yong, der ein Schneidergeschäft eröffnete. Es war der Beginn der Reformpolitik. Die beginnenden 80er Jahre waren auch kulturell eine Befreiung. Ausländische Autoren konnten gelesen werden. Can Xue interessierte sich besonders für Kafka. Sie sagte in einem Interview mit der Übersetzerin Eva Schestag und Andreas Rötzer, dem Gründer des Verlags Matthes & Seitz: „Ich mag surrealistische Literatur und Kunst seit jeher.“ Doch sie will nicht nur auf den Surrealismus reduziert werden: „Der Begriff Surrealismus beschreibt mein literarisches Werk nur unzureichend.“ Ihre schöpferische Persönlichkeit sei vielmehr „ein Hybrid aus westlicher und östlicher Kultur.“ Der östliche, der chinesische Einfluss basiert vor allem auf die Werke des Schriftstellers Lu Xun, der ihr durch ihren Vater nahegebracht wurde. Aber in ihre Werke fließen auch Geschichten aus dem ländlichen China ein.
Ihre erste Story erschien 1985 in einem Literaturjournal mit geringer Auflage und trug den Titel: „Soap Bubbles in the Dirty Water“. Es folgten weitere Kurzgeschichten und Novellen. Ende der 80er Jahre interessierte sich das Ausland – vor allem Frankreich und Japan – für die chinesische Autorin. Aber erst später – nach 2000 – wurden ihre Stücke in die Weltsprache Englisch übersetzt. Verdient machten sich dabei vor allem die die Sinologie-Professorin Karen Gernant und die Übersetzerin Annelise Finegan Wasmoen. Dank deren Übersetzungen fiel Can Xue auch der berühmten amerikanischen Autorin Susan Sontag auf, die sagte, dass Can Xue den Nobelpreis verdiene. Doch bislang ist daraus nichts geworden.
Info:
Von Can Xue wurden nur zwei Werke ins Deutsche übersetzt: „Liebe im neuen Jahrtausend“ (übersetzt von Karin Betz) und „Schattenvolk“ (übersetzt von Eva Schestag). Beide Bücher sind im Verlag Matthes & Seitz erschienen. „Schattenvolk“ (400 Seiten, 26 Euro) enthält Erzählungen aus den Jahren 1996 bis 2018.
Hier Fünf Fragen an Can Xue von Eva Schestag und Andreas Rötzer: https://www.matthes-seitz-berlin.de/news/fuenf-fragen-an-can-xue.html
Hier viel mehr über Can Xue auf der „Contemporary Chinese Writers Website“: https://web.mit.edu/ccw/about.shtml