POLITIK I Plötzlich aufgetaucht: Der Streit um die Unterwasserkabel

Kürzlich wurden auf dem tiefen Boden der Ostsee zwei Unterseekabel durchtrennt. Eines zwischen Helsinki und Rostock, ein anderes zwischen Gotland und Litauen. Verdächtigt wird das chinesische Schiff „Yi Peng 3“, das sich in der Nähe beider Tatorte aufgehalten haben soll. Derzeit liegt es zwischen Dänemark und Schweden vor Anker. „Sabotage“ wittern die beiden deutschen Minister Boris Pistorius und Annalena Baerbock. Ob das nun stimmt oder nicht – die beiden Vorfälle in der Ostsee haben das Augenmerk auf die bislang wenig beachteten Adern des weltweiten Kommunikationsnetzes gelenkt – die Unterseekabel. Durch diese und nicht – wie viele fälschlicherweise glauben – via Satelliten findet die internationale Internetkommunikation statt. Mehr als 500 Kabelleitungen mit einer Gesamtlänge von 1,3 Millionen Kilometern lagern bereits auf dem Boden der verschiedenen Meere dieser Welt. Bis vor nicht allzu langer Zeit verrichteten sie dort zuverlässig ihre Dienste, egal, was über dem Meeresspiegel passierte. Doch mit Beginn des Tech-Krieges zwischen China und den USA wurden sie zum Politikum: „Wem sie gehören und welche Routen sie nehmen, sind zu Machtfragen eines härter werdenden geoökonomischen Wettbewerbs zwischen den USA und China geworden, bei dem Europa bislang nur eine Zuschauerrolle einnimmt. China und die USA sind der EU in ihrem Einfluss auf die Internet-Infrastruktur […] weit voraus“, schreibt der Politikwissenschaftler Josef Braml in seinem Buch Die transatlantische Illusion.

Inzwischen wird heftig gestritten, in welchen Gewässern diese Kabel verlegt werden sollen und von wem. Das Verlegen dieser Kabel ist eine sehr komplexe und auch gefährliche Angelegenheit. Es werden Spezialschiffe benötigt. Die Crew und die Techniker sind oft mehrere Monate unterwegs. Lange Zeit beherrschten dieses Geschäft nur drei Unternehmen: NEC (Japan), Alcatel Submarine Networks (Frankreich/Finnland) und SubCom (USA). Doch vor rund 15 Jahren tauchte ein neuer Wettbewerber auf: HMN Tech. Und der stammt aus China. Früher hieß die Firma Huawei Marine Networks. Inzwischen ist Huawei ausgestiegen, aber das Unternehmen HMN ist immer noch in chinesischer Hand und damit vor allem den USA sehr suspekt. Sie wittern Spionage und möglicherweise auch Sabotage. Deshalb versuchen die USA, HMN aus diversen Konsortien zu drängen. Beim gigantischen Kabelprojekt von Singapur nach Europa ist ihnen das gelungen (siehe Info).

Besonders brisant ist die Lage im Südchinesischen Meer, das ja bekanntlich China nahezu in seiner Gesamtheit für sich beansprucht. Deshalb ist dieses Gewässer für die USA tabu. Als Google, Meta und Amazon neue Kabel zwischen den USA und Hongkong just durch das Südchinesische Meer verlegen lassen wollten, kam ein Nein der US-Regierung. Die Kabel mussten Richtung Japan und Philippinen umgeleitet werden.

Info:

In einem interessanten Lehrstück beschreibt der Reuters-Reporter Joe Brock, wie um die Verlegung eines Internetkabels von Asien nach Europa gerungen wurde: https://www.reuters.com/investigates/special-report/us-china-tech-cables/

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