Wu Liufang (29) war eine talentierte Turnerin. Sie gewann zwischen 2009 und 2011 mehrere Weltcups im Bodenturnen und am Stufenbarren. Doch bei der Qualifikation zu den Olympischen Spielen 2012 in London verletzte sie sich. 2013 musste sie ihre Karriere beenden. Danach war es lange Zeit ruhig um den einstigen Turnstar. Sie studierte an der Beijing Sports University, versuchte sich als Sportlehrerin in Hangzhou und landete dann als Influencerin und Livestreamerin. Auf Douyin hatte sie eine Gefolgschaft von 2,6 Millionen – bis Anfang November. Dann geriet sie plötzlich in einen veritablen Shitstorm. Die Turn-Olympiasiegerin von Tokio, Guan Chenchen (20), attackierte Wu Liufang, weil sie durch ihre freizügigen Videos die Turnerzunft
beschädige: „Senior, if you want to post provocative content, go ahead, but don’t damage the image of gymnastics.” Guan gefiel nicht, dass sich Wu auf ihren Videos tanzend in Shorts, Minirock und Netzstrümpfen präsentierte. Es entwickelte sich ein verbaler Schlagabtausch zwischen den beiden ehemaligen Turnerinnen. Wu nannte Guan eine „sour grape“, die neidisch auf ihren Erfolg als Influencerin sei. Guan konterte und schrieb Wu sei „awesome“, was man mit irre übersetzen kann. Daraufhin nannte Wu ihre Kritikerin „even more awesome“.
Am 24. November mischte sich auch Douyin in den Streit ein und verbannte 50 Videos von Wu Liufang von ihrer Webseite. Nur noch sieben Videos von ihr waren zu sehen. Wu entschuldigte sich per Video: Sie könne sich verbal nicht so gut ausdrücken, deshalb versuche sie eben durch Tanzen ihre Freude rüberzubringen. Außerdem stamme sie aus einfachen Verhältnissen und müsse sich deshalb selbst um ihr Einkommen kümmern.
Der Streit schlug in der Fan-Community hohe Wellen. Über zehn Millionen beteiligten sich an der Diskussion. Schnell kam es zur grundsätzlichen Frage, was ehemalige Sportler dürfen oder nicht. Die Mehrheit nahm Partei für Wu Liufang. Stellvertretend hierfür ein Kommentar: „Es gibt nichts an ihrem Auftreten zu kritisieren, so lange sie nichts Kriminelles macht.“ Inzwischen hat Douyin Wus Videos wieder freigeschaltet. Für sie scheint sich die publikumswirksame Auseinandersetzung gelohnt zu haben: Innerhalb von 24 Stunden nach Aufhebung des Douyin-Banns stieg die Zahl der Follower um drei Millionen.
Info:
Hier ein Video über Wu Liufangs umstrittene Videos: https://www.youtube.com/watch?v=hfRcJf8zDN8