POLITIK I China-Konsus der Experten – nur unter Druck?

In den USA – so heißt es immer wieder – gibt es nur ein Thema, das Demokraten und Republikaner eint: China. Das Land wird von beiden Parteien als Rivale betrachtet, der die amerikanische Vorherrschaft auf vielfältige Weise attackiert. Dem gilt es durch Containment (Eindämmung) gegenzuhalten. Insofern hat sich die Bidensche China-Politik von der Trumpschen nur im Ton unterschieden. Dieser politische Konsens spiegelt sich auch in der Community der außenpolitischen Experten der USA wider, die nahezu alle in den vergangenen Jahren mehr oder weniger China-kritisch geworden sind. Wie kam diese Uniformität zustande – und folgten die Experten dabei ihrer Überzeugung oder einem gewissen Druck des Mainstreams? Das wollten Michael B. Cerny (Doktorand an der Harvard University) und Rory Truex (Assistenz-Professor für Politik an der Princeton University) wissen und befragten deshalb knapp 500 „US national security and foreign policy professionals“. Alle wurden schriftlich befragt, 55 zudem noch in persönlichen Interviews. Die Ergebnisse der Umfrage veröffentlichten sie soeben in dem Draft-Papier: „Under Pressure: Attitudes Towards China Among American Foreign Policy Professionals”. Dabei stellte sich heraus, dass man nicht von einer Uniformität der Meinungen über China sprechen kann: „There exists a substantial amount of variation in policy beliefs towards China.“ Aber diese Vielfalt an Meinungen spiegelt sich nicht in der öffentlichen und auch politischen Diskussion wieder. Das hat mit der zweiten wichtigen Erkenntnis aus der Umfrage zu tun: „A large number of people in the foreign policy community perceive social and professional pressure to voice a more confrontational position towards China.” Konkret: 21,8 Prozent der Befragten – also mehr als jeder Fünfte – antworteten: „Yes, we have experienced social pressure.“ Druck verspüren vor allem jüngere Experten, die eine Karriere in der politischen Administration planen. Viele der Experten würden deshalb eine Art Selbstzensur üben, in dem sie öffentlich anders reden als privat: „They do voice more hawkish attitudes towards China when forced to attach their names to their responses.“ Ich frage mich: Wie würden die Ergebnisse einer ähnlichen Umfrage unter deutschen China-Experten ausfallen? Ich spekuliere: Nicht viel anders.

Info:

Eine Zusammenfassung des Working Paper: https://static1.squarespace.com/static/61362c444f878116b514ec49/t/675727b4207f395589a26608/1733765044455/Executive+Summary+-+Under+Pressure+.pdf

Das gesamte Working Paper:  https://static1.squarespace.com/static/61362c444f878116b514ec49/t/675727341f3f295563cd8a47/1733764917153/Cerny+%26+Truex+%282024%29+-+Working+Paper+-+Under+Pressure.pdf

Sinica-Podcast mit den beiden Autoren: https://www.sinicapodcast.com/p/under-pressure-michael-cerny-and?utm_source=post-email-title&publication_id=2079154&post_id=153959816&utm_campaign=email-post-title&isFreemail=true&r=1cv&triedRedirect=true&utm_medium=email

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