US-Präsident Donald Trump verursachte bereits vor Amtsantritt viel Wirbel mit – auf den ersten Blick – etwas seltsam anmutenden Ideen. Eine war der Kauf der Insel Grönland, die von Dänemark verwaltet wird. Aber auf den zweiten Blick macht diese Avance aus Sicht von Trump durchaus Sinn. Und zwar, wenn man die Insel unter einem geopolitischen Blickwinkel betrachtet. Grönland und die gesamte arktische Region werden strategisch immer bedeutsamer. Dort lagern wichtige Rohstoffe. So sollen sich 43 der 50 sogenannten kritischen Rohstoffe im grönländischen Boden befinden. Außerdem wird durch die Erwärmung infolge des Klimawandels die Polarroute zunehmend eisfrei und damit mit Schiffen befahrbar. Das verkürzt die Fahrzeit zum Beispiel von Containerschiffen von China nach Europa um ein Drittel. Bislang fahren diese Schiffe durch den Indischen Ozean und den Suez-Kanal. Dabei müssen sie die Meerenge bei Malakka (Malaysia) passieren. Chinas Führung blickt schon lange mit Sorge auf diese Passage, denn sie befürchtet im Ernstfalle eine Blockade der Straße von Malakka, wodurch Chinas Ex- und Importe unterbunden würden („Malakka-Dilemma“). Mit der schiffbaren Polarroute könnte dieses Dilemma elegant umschifft werden.
China habe sich „lange Zeit vorsichtig und zurückhaltend im Schatten der arktischen Großmacht Russland“ bewegt, schreibt Michael Paul (Stiftung Wissenschaft und Politik) in seiner im Dezember erschienenen Analyse „Chinas arktische Wende“. Aber seit 2014 habe China seine diplomatische Präsenz „sichtbar verstärkt“. In Island besitze China die größte aller Botschaften. Und im Arktischen Rat sei China der „aktivste Beobachter“. China hat seit 2013 einen Beobachterstatus in dieser Organisation. (Mitglieder sind nur die Anrainer-Staaten, also die USA, Kanada, Russland und die fünf nordischen Länder). 2014 verkündete Xi Jinping Chinas Ambitionen, eine „polare Großmacht“ zu werden. Was das bedeutet, wurde im Januar 2018 im Weißbuch „China’s Arctic Policy“ konkretisiert. Darin heißt es unter anderem:„China hopes to work with all parties to build a “Polar Silk Road” through developing the Arctic shipping routes.” Die polare Seidenstraße wird als dritter Korridor der chinesischen Seidenstraßen-Initiative gesehen (die beiden anderen sind der Landkorridor durch Zentralasien und der Seeweg durch den Indischen Ozean bis ins Mittelmeer). Mehrere chinesische Containerschiffe sind bereits auf der Polarroute verkehrt. Der chinesische Logistikkonzern COSCO sei führend in der arktischen Schifffahrt, schreibt Michael Paul. Auch baut China derzeit einen High-Tech-Eisbrecher, um gegebenenfalls den Weg freizuräumen. Vielen westlichen Staaten sind diese Aktivitäten der Chinesen in der Arktis nicht geheuer. Sie vermuten auch militärische Motive hinter dem chinesischen Engagement und versuchen deshalb, China aus der Arktis fernzuhalten. So hat zum Beispiel Dänemark eine chinesische Forschungsstation auf Grönland verhindert, ebenso den Bau von Flughäfen mit chinesischem Geld. Die Folge: „Angesichts der zunehmenden Blockade durch den Westen hat sich China an Moskau als strategischen Partner (in der Arktis) gewandt“, schreibt Aleksandra Gadzala Tirziu (The Atlantic Council) in ihrem Artikel „Chinas großer Plan für die Arktis“. Längst gibt es deshalb eine chinesisch-russische Kooperation in der Arktis. China darf zum Beispiel an der russischen Nordmeer-Küste Häfen bauen. Tirziu prophezeit: „Mit Russlands Hilfe könnte China schneller als erwartet zu einer polaren Großmacht werden.“
Info:
Michael Pauls Analyse „Chinas arktische Wende“: https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2024A68_china_arktis.pdf
Hier das Weißbuch „China’s Arctic Policy“: https://english.www.gov.cn/archive/white_paper/2018/01/26/content_281476026660336.htm
Hier der Beitrag von Aleksandra Gadzala Tirziu: https://www.derpragmaticus.com/r/arktis-china