Nahezu alle Größen der amerikanischen Tech-Welt waren da, als der neue US-Präsident am vergangenen Montag in Washington feierlich in sein Amt eingeführt wurde: Mark Zuckerberg (Meta), Jeff Bezos (Amazon). Tim Cook (Apple), Sundar Pichai (Google) und Elon Musk sowieso. Er gehört ja inzwischen zum engeren Trump-Zirkel. Doch wer war dieser jung und chinesisch aussehende Mann, der da neben all den bekannten Tech-Stars saß? Es war Shou Chen, der CEO von TikTok, der da zufrieden lächelnd unter den Gästen gesichtet wurde. Er wusste zu dem Zeitpunkt der Feier längst, dass ein paar Stunden später der neue Präsident Trump eine Executive Order unterzeichnen wird, die einen gesetzlich angeordneten Blackout von TikTok in den USA verhindert.
Und so geschah es auch. Am Montagabend setzte Donald Trump im Oval Office seines neuen Wohnsitzes, dem Weißen Haus, seine Unterschrift unter zahlreiche Executive Orders, darunter eben auch eine „adressing the threat posed by TikTok“. 75 Tage hat der chinesische ByteDance-Konzern nun Zeit, einen (amerikanischen) Käufer oder Joint-Venture-Partner für seine amerikanische TikTok-Tochter zu finden. Ansonsten droht ihr das Aus. Trump setzt damit ein Gesetz außer Kraft, das unter seinem Vorgänger Joe Biden initiiert wurde und mit großer Mehrheit – auch mit sehr vielen Stimmen der Republikaner – am xy verabschiedet wurde. Weil TikTok ein Sicherheitsrisiko darstelle (es spioniere die User aus, liefere Daten nach Beijing, manipuliere Kinder und Jugendliche usw.), solle es in den USA verbannt werden – oder verkauft werden. Dies solle bis spätestens zum 19. Januar 2025 geschehen. Doch nichts passierte. ByteDance weigerte sich, zu verkaufen. Stattdessen bemühte der Konzern die Gerichte, scheiterte jedoch. Zuletzt am vergangenen Freitag mit einem Eilantrag. Und danach überschlugen sich die Ereignisse. Am Samstagmorgen Ortszeit war TikTok plötzlich nicht mehr verfügbar. Auf dem Bildschirm erschien die Botschaft: „Sorry, TikTok isn’t available right now.“ Aber schon im nächsten Satz deutete sich Hoffnung an: „We are fortunate that President Trump has indicated that he will work with us on a solution to reinstate TikTok once he takes office. Please stay tuned.” Trump hat offenbar dem Unternehmen signalisiert, dass er unmittelbar nach Amtsantritt eine Executive Order unterzeichnen werde. Und noch wichtiger: Er hat den Dienstleistern, die die TikTok-Dienste anbieten (unter anderem Apple, Google, Oracle) zugesichert, dass ihnen keine Strafen drohen. Denn nach dem verabschiedeten Gesetz hätten sie für jeden User, der über ihre App zu TikTok kommt, 5000 Dollar Strafe zahlen müssen. Man kann sich ausrechnen, dass schnell ein dreistelliger Millionenbetrag zusammengekommen wäre. Dank dieser – rechtlich allerdings fragwürdigen – Zusicherungen von Seiten Trumps ging TikTok am Samstagabend wieder „auf Sendung“. In einem Statement erklärte das TikTok-Management: „In agreement with our service providers, TikTok is in the process of restating service. We thank President Trump for providing the necessary clarity and assurance to our service providers. We will work with President Trump on a long-term solution that keeps TikTok in the US.”
Wie diese Lösung aussehen könnte, verkündete dann Trump am Montagabend bei der Unterzeichnung der Executive Order. Er schlug ein Joint-Venture vor: 50 Prozent sollen bei ByteDance bleiben, 50 Prozent sollen von einem amerikanischen Investor übernommen werden. Trump: “The US should be entitled to get half of TikTok.” Wer die Hälfte von TikTok kaufen könnte, ist noch unklar. Aber im Umfeld Trumps tummeln sich ja viele Tech-Bosse. Trump sagte nur: „I think you have a lot of people who would be interested.”
Es gibt freilich mehrere Unwägbarkeiten bei diesem möglichen Verkaufsprozess. So ist nicht klar, ob ByteDance mitmacht. Im Gespräch Trumps mit Xi Jinping am vergangenen Freitag soll das Thema TikTok auch angesprochen worden sein. Vielleicht haben sich die beiden ja da grundsätzlich auf einen Deal geeinigt nach dem Motto: Ich kommen Dir beim ByteDance-Deal entgegen, dafür musst Du bei den Zöllen nachgeben.
Unklar ist auch, ob Trump mit seiner Executive Order einfach ein Gesetz übergehen kann. Widerstand regt sich bereits im eigenen republikanischen Lager. Mike Johnson, republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses, sagte am Sonntag in der NBC-Sendung „Meet the Press“: „The Congress will enforce the law. There must be a full divorce not just a 50 percent deal.” Weitere republikanische Abgeordnete äußerten sich ähnlich.
Klar ist nur: Die Story um TikTok ist lange noch nicht zu Ende.
Info:
Hier die Executive Order in Wortlaut: https://trumpwhitehouse.archives.gov/presidential-actions/executive-order-addressing-threat-posed-tiktok/