POLITIK I Wie mit China umgehen: Kritischer Merz, konziliantere von der Leyen

Friedrich Merz war in den vergangenen Tagen viel in den Schlagzeilen, die sich fast nur um Migration und sein Verhältnis zur AfD drehten. Dabei ging fast unter, dass er am 23. Januar im historischen Ballsaal des Berliner Hotels de Rome eine Grundsatzrede zur Außen- und Sicherheitspolitik hielt. Zunächst beschäftigte Merz sich mit Russland, um dann auf das große Ganze zu kommen: „Wir erleben eine aufziehende Ära eines neuen Systemkonflikts zwischen liberalen Demokratien auf der einen Seite und antiliberalen Autokratien“, die die regelbasierte internationale Ordnung attackieren. An der Spitze dieser Autokratien stehen für ihn Russland und China, aber auch der Iran und Nordkorea gehören dazu: „Im Laufe der zurückliegenden Dekade hat sich eine Achse der Autokratien herausgebildet, die in allen Regionen der Welt destabilisierenden Einfluss nimmt, den politischen Westen zurückdrängt und krisenhafte Entwicklungen zu ihren Gunsten nutzt. Diese Achse von Autokratien stützt sich auch untereinander auf vielfältige Weise.“ Danach geht er etwas ausführlicher auf das „aufstrebende und selbstbewusste China“ ein. In der neuen Ära des Systemwettbewerbs wolle Peking demonstrieren, dass Autokratie und Staatsdirigismus dem westlichen Modell von Demokratie und Marktwirtschaft überlegen seien. Außenpolitisch sei Chinas Ziel,

„die Kräfteverhältnisse insbesondere im Indo-Pazifik als auch weit darüber hinaus“ zu verändern. Chinas Führung arbeite zielstrebig an der Errichtung einer regionalen Vormachtstellung, die den Einfluss Amerikas im Pazifik beendet. Um gegenzuhalten, plädiert Merz für ein stärkeres Engagement Deutschlands im Indo-Pazifik: „Unsere Partner im Indo-Pazifik brauchen ein Signal, dass unsere Präsenz vor Ort nicht mit der gelegentlichen Durchfahrt einer Fregatte erschöpft ist. Japan, Indien, Australien, Neuseeland, unsere Verbündeten in dieser geostrategischen zentralen Region der Welt sollen wissen, dass wir aktiv zur Stabilität in der Region beitragen wollen. Deshalb rege ich eine dauerhafte europäische Marinebasis im Indo-Pazifik an.“

Danach beklagt er einen „Mangel an strategischer Kultur in Deutschland“ – auch und gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik. Deshalb seine Ankündigung: „Wir werden einen Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt einrichten.“ Er solle der Ort für die Entwicklung einer strategischen Kultur sein. Außerdem wolle er im ersten Jahr eine neue nationale Sicherheitsstrategie vorlegen. Sein Ziel sei es, Deutschland „von einer schlafenden Mittelmacht zu einer führenden Mittelmacht“ zu entwickeln.

Erst zum Schluss seiner rund 35minütigen Rede ging er auf die USA ein. Dabei legte er ein klares Bekenntnis ab: „Unser Bündnis zu Amerika war, ist und bleibt von überragender Bedeutung für Sicherheit, Freiheit und Wohlstand in Europa.“ Er sei „jedenfalls froh, dass die stärkste Volkswirtschaft der Welt und die stärkste Militärmacht der Welt eine Demokratie und keine Autokratie ist.“

Nach seiner Rede waren noch einige Fragen zugelassen. Eine stellte die Moderatorin Nora Müller vo der gastgebenden Körber-Stiftung: „Wie würde Ihre Delegation bei Ihrem ersten Besuch in Peking aussehen?“ Der Fragesteller wollte wissen, ob Merz Manager und Unternehmen mitnehmen werde. Indirekt zielt die Frage darauf ab, wie Merz das Engagement der deutschen Wirtschaft in China beurteile. Merz holte zunächst aus: „Mein Gefühl sagt mir, die wirtschaftliche Lage in China ist schwieriger als wir sie im Augenblick von außen sehen. Die Konflikte in der KP sind nicht beseitigt, sondern allenfalls unterdrückt.“ Das Land sei nicht in der Verfassung, wie es von der chinesischen Staatsführung über die Staatsmedien dargestellt werde. Man müsse also „mit größeren Verwerfungen“ rechnen. Die Entscheidung, in China zu investieren, sei deshalb eine Entscheidung mit großem Risiko. Deshalb sein Appell an die Unternehmer:  „Wenn ihr dieses Risiko eingeht, dann geht es so ein, dass es nicht die gesamte Unternehmensgruppe gefährdet, wenn ihr diese Investitionen von einem Jahr auf das andere abschreiben müsst.“ Und dann sagte er einen Satz, der in den Medien am häufigsten zitiert wurde: „Kommt unter keinen Umständen bitte zum Staat, zur Bundesregierung, um euch in einer solchen Situation ökonomisch zu helfen.“

Kurzes Fazit: Merz zeigte sich in seiner Rede sehr kritisch gegenüber China. Er vertritt die Achse-der-Autokraten-These, die eher konfrontativ angelegt ist. Kein böses Wort über Trump, dessen anti-rechtsstaatliches Amoklaufen er offenbar toleriert. Und auch kein Wort über eine mögliche Kooperation mit China, wo es angebracht wäre.

Diese Worte hat doch etwas überraschend seine Parteifreundin Ursula von der Leyen gefunden. Am 21. Januar hielt die EU-Kommissionspräsidentin beim World Economic Forum in Davos eine Rede, in der sie etwas konziliantere Töne gegenüber China anschlug. Zunächst analysierte sie – ähnlich wie Merz – die neue geoökonomische Lage: Man befinde sich in einer „neuen Ära des rauen geostrategischen Wettbewerbs“.  Die größten Volkswirtschaften der Welt würden um den Zugang zu Rohstoffen, um neue Technologien und globale Handelswege konkurrieren. Sie rechnet deshalb auch weiterhin mit dem häufigen Einsatz von Wirtschaftsinstrumenten – wie Sanktionen, Ausfuhrkontrollen und Zöllen. Aber sie fordert auch gleichzeitig mehr Zusammenarbeit, „um einen Wettlauf nach unten zu vermeiden“. In die Bemühungen um Kooperation schloss sie auch China mit ein: „Wir sollten auch in unserem Dialog mit China nach gegenseitigem Nutzen streben.“

Und dann folgen vielleicht die wichtigsten Sätze ihrer Rede: „Viele glauben – auch in China –, dass es ebenfalls in Chinas langfristigem Interesse läge, verantwortungsbewusster mit seinen wirtschaftlichen Ungleichgewichten umzugehen. Wir teilen diese Auffassung. Und ich glaube, dass wir konstruktiv mit China zusammenarbeiten müssen, um Lösungen in unserem beiderseitigen Interesse zu finden. 2025 begehen wir den 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen unserer Union zu China. Ich sehe darin eine Gelegenheit, unsere Beziehungen zu China zu vertiefen. Es ist an der Zeit, im Geiste der Fairness und der Gegenseitigkeit ausgewogenere Beziehungen zu China zu pflegen.“

Am 4. Februar sprach von der Leyen auf der EU-Botschafterkonferenz und wiederholte ihr Bekenntnis zur Kooperation mit China: „Dies wird ein intensives Jahr in unseren Beziehungen zu China sein, mit dem wir ein halbes Jahrhundert diplomatischer Beziehungen begehen.“ Es sei noch Luft nach oben für eine konstruktive Zusammenarbeit mit China – und dafür, Lösungen in unserem beiderseitigen Interesse zu finden. „Und ich denke, wir können zu Vereinbarungen gelangen, die unsere Handels- und Investitionsbeziehungen sogar noch erweitern könnten.“

Info:

Hier das Video der Rede von Friedrich Merz: https://koerber-stiftung.de/mediathek/friedrich-merz-zu-aussen-und-europapolitischen-prioritaeten-fuer-deutschland/

Und hier schriftliche Auszüge aus der Rede: https://www.cdu.de/aktuelles/aussen-und-sicherheitspolitik/politikwechsel-fuer-eine-bessere-aussenpolitik/

Hier die Davoser Rede von Ursula von der Leyen vom 21. Januar im Wortlaut:

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/speech_25_285

Und hier ihre Rede auf der EU-Botschafterkonferenz am 4. Februar: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/api/files/document/print/de/speech_25_404/SPEECH_25_404_DE.pdf

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