Das Gebäude nahe der Tower Bridge mitten in London ist steinalt. 1348 wurde es gebaut. Damals beherbergte es eine Zisterzienser-Abtei. Im Laufe der Jahrhunderte hatte es verschiedene Besitzer. Zuletzt war dort der Royal Mint Court untergebracht, die Münzprägeanstalt des Vereinigten Königreichs. Im Mai 2018 kaufte die Volksrepublik China den Gebäudekomplex für stolze 255 Millionen Pfund. Die Chinesen wollten dort ihre neue Botschaft errichten, ihre größte in Europa. Die derzeitige an der Portland Street, die seit 1876 Domizil der chinesischen Vertretung ist, ist zu alt und zu klein. Als Architekten für den Umbau des Royal Mint Court heuerte Chinas Regierung den britischen Stararchitekten Sir David Chipperfield an. Doch dann kam es anders als gedacht. Es regte sich Widerstand – erst von der Bevölkerung im Viertel, aber dann auch von anti-chinesischen Kreisen, von denen es in London bzw. Großbritannien zahlreiche gibt. Zum Beispiel ist die Gemeinde der Exil-Hongkonger ziemlich groß. Der geplante Umzug wurde zum Politikum. Der Tower Hamlet Council – das Parlament des Stadtbezirks, in dem der Mint Court liegt – sprach sich deshalb 2022 einstimmig gegen die Errichtung der chinesischen Botschaft aus. Es wurden unter anderem Sicherheitsbedenken geäußert, die auch von den Polizeibehörden geteilt wurden. Sollte es zum Beispiel zu Demos vor der neuen Botschaft kommen, würde der Verkehr an dieser vielbefahrenen Ecke Tower Hill/Tower Bridge Road massiv beeinträchtigt. So sagte Dave Hodges, Chefinspektor der Met Police: „In the event that more than a relatively small number of protesters attend the location, they will highly likely spin into the road.” Das nicht verbindliche Nein des Tower Hamlet Council hätte die damalige konservative Regierung quasi überstimmen können. Das hat sie aber nicht getan. So blieb es vorerst bei dem Verbot des Umzugs der chinesischen Botschaft. Doch seit Sommer 2024 ist die Labour-Regierung an der Macht. Diese zeigt sich dem Anliegen der Chinesen wohlwollender gegenüber, zumal sie auch chinafreundlicher ist als ihre Vorgänger. Regierungschef Keith Starmer war im November in Beijing, wo er versprach, sich um die Sache zu kümmern. Seine Stellvertreterin Angela Rayner soll derzeit eine Entscheidung vorbereiten. In der Zwischenzeit kommt es immer wieder zu Protestkundgebungen vor dem Mint Court. Die größte Demo fand am 8. Februar statt. Rund 1000 Personen – darunter Exil-Hongkonger, Taiwanesen und Uiguren – versammelten sich vor Ort und führten Plakate mit, auf denen zum Beispiel stand: “CCP is Watching You. Stop the Mega Embassy.” Unmittelbar nach der Demo fand eine zwölftägige Anhörung zum Planungsverfahren beim Tower Hamlets Borough Council, also der zuständigen Bezirksverwaltung, statt. Ergebnis: Es gebe keine Bedenken gegen den Umbau der chinesischen Botschaft. Aber das endgültige Sagen hat die Regierung. Angela Rayner will spätestens im Sommer die Entscheidung bekanntgeben. Aber eigentlich ist jetzt schon klar: Die Chinesen können den Umzug planen.
No Comments Yet