Stellt euch vor, es ist Handelskrieg, und keiner geht hin! Diese oft genannte Hoffnung bewegt heute Regierende in Europa und China gleichermaßen, indem sie versuchen, maßvoll auf die neuen US-Zölle zu reagieren und gleichzeitig neue wirtschaftliche Wachstumsperspektiven mit und ohne die USA zu entwickeln, um einen Handelskrieg zuvorzukommen.
Was für die EU-Kommission die Harley-Davidson-Motorräder sind, sind für die Beijinger Regierung landwirtschaftliche Produkte aus Republikaner-freundlichen Bundesstaaten: Mit Strafzöllen auf diese US-Waren wollen die EU und China Handlungsfähigkeit beweisen und der neuen US-Administration an neuralgischen Punkten wehtun, doch dabei vor allem keinen handelspolitischen Flächenbrand auslösen. Denn alle hoffen, dass am Ende ein Deal mit US-Präsident Donald Trump möglich bleibt. So wie er zuletzt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erst vor die Tür des Weißen Hauses setzte und alle Waffenlieferungen an sein Land aufkündigte, nur um Tage später erneut mit der Ukraine verhandeln zu lassen, eine Einigung erzielte und die Waffenlieferungen fortsetzte.
Ein Deal mit Trump, der im Zweifelsfall auch einem Deal mit der EU ähneln könnte, beschäftigt viele chinesische Strategen in Regierung und staatsnahen Thinktanks. Unter Leitung des ehemaligen chinesischen Botschafters in den USA, Cui Tiankai, reiste nach Angaben der New York Times Ende Februar eine chinesische Experten-Delegation nach Washington, um mit US-Experten und Thinktanks zu sprechen – auch weil es direkte Kontakte zwischen den Regierungen bislang kaum gab. Die Idee der Reise: Ein mögliches Abkommen zwischen den USA und China, das große chinesische Einkäufe bei der US-Landwirtschaft vorsieht und massive chinesische Investitionen für E-Autos, Batterien und Solarpanels in den USA. Dafür wären chinesische Unternehmen bereit, ihre neuen Technologien an amerikanische Unternehmen weiterzugeben, auch ohne Mehrheitsbeteiligung. Zwar würde ein solches Abkommen allen gesetzlichen Schutzmaßnahmen der USA vor Technologieverlusten an China widersprechen. Doch geht US-Präsident Trump mit diesen Gesetzen nicht konform. Als er kürzlich ein Memorandum unterzeichnete, das strenge Auflagen für Investitionen zwischen China und den USA forderte, betonte er öffentlich, dass er chinesische Investitionen in den USA begrüße.
Derweil beschäftigt Chinas technologischer Vorsprung in der E-Autoindustrie auch die EU. Ein vor vier Jahren aufgrund politischer Differenzen auf Eis gelegtes EU-China-Investitionsabkommen ist plötzlich wieder in der Diskussion, schreibt Noah Barkin in der aktuellen Ausgabe von Watching China in Europe. Sogar das in der Vergangenheit sehr China-kritische EU-Parlament baut Sanktionen gegen China wieder ab, wenngleich es nur den bislang untersagten Austausch mit chinesischen Offiziellen betrifft. Die Gründe hierfür sind von der neuen US-Politik zum Teil unabhängig. Schon seit Sommer letzten Jahres dauern die Gespräche zwischen Peking und Brüssel über die EU-Zölle für chinesische E-Autos, die seit dem Herbst gelten. Dabei geht es durchaus auch um einen größeren Deal, der über Zölle hinaus die Investitionsbedingungen für die chinesische E-Autoindustrie in der EU regeln könnte. Im Grunde pokert Beijing gerade sowohl mit Brüssel als auch mit Washington ganz groß. Das chinesische Angebot lautet: Wollt ihr die CO2-freie Mobilität?
Doch gut möglich, dass die Gespräche schon im Kleinen stecken bleiben. „Wir beobachten, wie die Möglichkeiten vorbeirauschen, und je länger wir warten, desto mehr Feindseligkeit entsteht und desto weniger Zeit bleibt, um für beiden Seiten zu einem Abkommen zu kommen“, zitiert die New York Times den Washingtoner China-Experten Yun Sun von der Forschungsgruppe Stimson Center.
Info:
Hier der Artikel in der New York Times: https://www.nytimes.com/2025/03/03/us/politics/trump-tariffs-china.html
Hier die März-Ausgabe von Noah Barkins Watching China in Europe: https://www.gmfus.org/news/watching-china-europe-march-2025