Am 3. März veröffentlichte die Wissenschaftszeitschrift Lancet eine Studie der University of Washington in Seattle über das weltweite Phänomen von Obesity, also Übergewicht. Sie analysierten die Entwicklung von 1990 bis 2021 und gaben einen Ausblick auf 2050. Sowohl bei der Retroperspektive als auch bei der Prognose lag China vorne. Bis 2021 stieg die Zahl der Übergewichtigen in China auf 402 Millionen. 2050 wächst die Zahl auf 627 Millionen, stellt die Studie fest.
Nur einen Tag nach dieser Veröffentlichung begann in Beijing die Tagung des Nationalen Volkskongresses. Und dort war auch Obesity ein gewichtiges Thema. Am 4. März trat Lei Haichao, Direktor der National Health Commission (NHC), vor die Presse und sprach warnende Worte. Übergewicht sei die größte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in China. Wenn nichts getan werde, steige der Anteil der übergewichtigen Erwachsenen an der Bevölkerung bis 2030 auf 70,5 Prozent. Es müsse deshalb etwas getan werden. Er verwies auf den bereits im Juni 2024 verabschiedeten Drei-Jahres-Plan Weight-Management Years. Darin ist auch ein Ausbau von Weight-Management-Kliniken vorgesehen. Diese – so Lei Haochaio – „will provide a professional consultation environment and platform for residents struggling with weight-issues, helping them better manage their weight.” In den vergangenen Jahren sind vor allem an der Ostküste einige dieser Kliniken entstanden- auch in TCM-Krankenhäusern. Soeben etablierte das Beijing Hospital of TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) eine multidisziplinäre Abteilung für weight management an. Dabei will sie westliche Methoden mit TCM-Therapien kombinieren. Vor allem Akupunktur soll ein probates Mittel gegen Übergewicht sein. Neben diesen Kliniken setzen die Gesundheitsbehörden vor allem auf Aufklärung über gesundes Essen und den Aufruf zur körperlichen Bewegung. Zwar ist das Verständnis dafür in der Bevölkerung gestiegen, aber nur 87,5 Millionen Chinesen haben nach Angaben des China Fitness Industry Data Reports eine Mitgliedschaft in einem Gym. Vielen ist das zu teuer. Als Alternative haben sich deshalb vor allem auf dem Lande sogenannte „shared gyms“ gebildet. Dort muss man keine Mitgliedsgebühr bezahlen, sondern zahlt nur, wenn man die Einrichtungen auch benutzt. Beispiel ist das Beiguan Village Citizen Fitness Center in den Suburbs von Shanghai. Es bietet auf 2500 Quadratmetern rund 30 professionelle Fitnessgeräte. Deren Nutzung kostet bescheidene drei Yuan die Stunde. Landesweit etablieren Kommunen auch Laufstrecken durch Parks oder an Uferpromenaden. Stand März 2025 wurden bereits 171 800 öffentliche Laufstrecken mit einer Gesamtlänge von 407 600 Kilometern geschaffen. Lokale Tourismusbüros kombinieren Sehenswürdigkeiten mit Hikingstrecken, um die Besucher zu mehr Bewegung zu verleiten. Schulen werden angehalten, mehr Sportunterricht zu geben. Und auch in der Wirtschaft tut sich was: Ein Unternehmen in Shenzhen – so berichtet People‘s Daily – gibt seinen Mitarbeitern finanzielle Incentives: Für jedes jin (halbes Kilo), das sie abnehmen, bekommt er oder sie 100 Yuan. Nach den ersten 10 abgenommen jins gibt es gar 300 Yuan pro jin. Viele Chinesen setzen statt auf finanzielle Spritzen lieber auf medikamentöse Unterstützung. Ausländische Pharmakonzerne wie Novo Nordisk (Dänemark) oder Eli Lilly (USA) haben bereits weight-loss-drugs im Angebot. Doch auch chinesische Pharmaunternehmen forschen fieberhaft an einer solchen Wunderdroge, schließlich tut sich bei Erfolg ein riesiger Markt auf. Ein Unternehmen scheint besonders weit zu sein: United Laboratories International in Hengqin (Guangdong). Dort wurde das Produkt UBT 251 entwickelt, das sich derzeit in der Phase der klinischen Tests befindet. Sein Vorteil gegenüber bisherigen Medikamenten: Es attackiert gleich drei Hormone, die das Essverhalten negativ beeinflussen. Offenbar ist auch Novo Nordisk davon überzeugt, denn soeben sicherte sich der dänische Konzern Novo Nordisk für zwei Milliarden Dollar die Rechte an Entwicklung, Produktion und Vertrieb der vielversprechenden Abnehmdroge außerhalb Chinas.
Info:
Die Lancet-Studie gibt es hier: https://www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S0140-6736%2825%2900355-1
Hier die Bekanntmachung des Deals von Novo Nordisk mit United Laboratories International: https://ml-eu.globenewswire.com/Resource/Download/26ac1b99-59a1-4ae2-b3c7-920c5c09cb11