Die letzte März-Woche war fast eine europäische Woche in China. Mehrere Besucher aus Europa gaben sich die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Erst waren die Außenminister aus Frankreich (Jean-Noel Barrot) und Portugal (Paulo Rangel) sowie Italiens Senatspräsident Ignazio La Russa zu Gast, und dann noch EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič. Demnächst kommt auch noch Spaniens Premier Pedro Sánchez. Bei allen Gesprächen stand ein Thema im Mittelpunkt: Wie positioniert sich Europa gegenüber China in der sich rapide verändernden Welt, nachdem die USA unter Trump quasi die Freundschaft gekündigt haben. Den Westen unter Amerikas Führung gibt es nicht mehr. Soll sich Europa deshalb wieder mehr China annähern?
Die EU-Kommission befindet sich noch in der Findungsphase und such sucht nach Antworten auf einige grundsätzliche Fragen:. Wie soll sie auf Trumps Zölle und Beleidigungen reagieren? Soll sich Europa strategisch unabhängig von den USA machen und ein selbständiger Pol in einer multipolaren Welt sein? Und wie soll Europa auf die Kooperationsangebote der chinesischen. Führung antworten?
Beijing nutzt die Situation und umgarnt Europa. Viele Beobachter sprechen bereits von einer chinesischen Charmeoffensive. Stellvertretend kann hierfür die Rede von Außenminister Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz gelten: „China has always seen in Europe an important pole in the multipolar world…China is willing to work with the European side to deepen strategic communication and mutually beneficially cooperation.“ Während die USA unter Trump ziemlich erratisch agieren, verspricht China Kontinuität und Verlässlichkeit. In einem Kommentar (“Trump makes China attractive again”) des italienischen Thinktanks Istituto per gli Studi di Politico Internazionale (ISPI) heisst es: „China offers an opportunity to rebrand itself as a reliable economic and diplomatic partner.” Aber die ISPI-Autoren glauben nicht, dass China die USA ersetzen werden: „It is unlikely that China will replace the US as Europe´s primary partner anytime soon.” Andere Thinktanker warnen sogar vor einer Annäherung an China. Noah Barkin (German Marshall Fund) schreibt in einem Beitrag für das aktulle IP Quartely: „It would be disastrous if Europa, in a push to reduce its dependency on the United States, ended up increasing its reliance on China.” Katja Bego (Chatham House) schreibt: „Trump is pushing Europe and China closer together. Europe should tread carefully.”
Doch trotz dieser Warnungen ändert sich die Stimmung in Brüssel gegenüber China. Dort ist man sich zunehmend bewusst, dass man sich keinen ökonomischen Zwei-Fronten-Krieg gegen die beiden Großmächte USA und China leisten kann. Sari Arho Havrén (China-Analystin beim RUSI) stellt fest: „The change that we are seeing vis-à-vis China is coming from the EU Commission, as shown by its President Ursula von der Leyen’s softened speaking points, and Spain that has pushed hard, with the help of Italy to engage more with China.” Ursula von der Leyen hat bereits in zwei Reden – eine in Davos, die andere vor dem diplomatischen Corps in Brüssel – eine konziliantere Haltung gegenüber China an. Maria Martin-Prat, die Chefin der Generaldirektion Handel in der EU-Kommission, kündigte kurz Sefčovičs China-Reise eine neue Strategie der Kommission an: „Derisking through diplomacy“. Etwas konkreter heißt das laut Martin-Prat: „We want to use our relationship with China on a combination of engagement but also protection.” Šefčovič kündigte dann in Beijing an, die EU wolle die Zusammenarbeit mit China bei Handel und Investitionen vertiefen. Plötzlich steht sogar eine mögliche Unterzeichnung des vor Jahren ausgehandelten, aber dann ausgesetzten Investitionsabkommens CAI (Comprehensive Agreement on Investment) wieder zur Diskussion. Bernd Lange, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Europäischen Parlament sagte gegenüber dem Handelsblatt: „Das Abkommen ist ja nicht tot, sondern es wurde auf Eis gelegt. Es sollte nun wieder aufgetaut werden.“
Unterstützung bei ihrem vorsichtigen Strategiewechsel gegenüber China bekommt die EU-Kommission vor allem von den Südstaaten Griechenland, Italien, Spanien und Portugal. Vor allem Spaniens Regierung unter Pedro Sánchez, der in diesem Monat zum dritten Mal nach China reist, gilt als Befürworter einer engeren Zusammenarbeit mit China. Im Februar sagte Außenminister José Manuel Albares gegenüber der Financial Times, dass “the EU should develop its own policy towards China and not imitate the confrontational stance of the U.S.” Gespannt darf man auf die Position der neuen deutschen Regierung sein, die in ihrem ersten außenpolitischen Koalitionspapier zur China (siehe DOKU in dieser Ausgabe) allerdings nur Allgemeinplätze zu bieten hat.
Ein deutscher Nicht-Politiker hat sich hingegen bereits deutlicher festgelegt. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, sagte kürzlich bei den Munich Economic Debates: „Die Welt wird jetzt um die USA herum gebaut. Europa wird anfangen, mit China zu kooperieren – gegen die USA.“
Info:
Die Rede von Wang Yi in München: https://www.pekingnology.com/p/wang-yi-at-munich-security-conference
Der ISPI-Kommentar: https://www.ispionline.it/en/publication/trump-makes-china-attractive-again-203934
Der Beitrag von Noah Barkon in IP Quarterly: https://ip-quarterly.com/en/europe-between-rock-and-hard-place
Der Kommentar von Katja Bego (Chatham House): https://www.chathamhouse.org/2025/02/trump-pushing-europe-and-china-closer-together-europe-should-tread-carefully
Der Kommentar von Sari Arko Havrén (RUSI): https://www.rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/chinas-xi-seizing-moment-while-us-transition