POLITIK I Die vorsichtige Annäherung zwischen China und der EU

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, war in den vergangenen Wochen öfters zu vertraulichen Gesprächen in der chinesischen EU-Mission in Brüssel. In der Woche nach Ostern sickerte durch, über was dort geredet wurde: Die Aufhebung der chinesischen Sanktionen gegen diverse Europaparlamentarier. Diese wurden im März 2021 von chinesischer Seite verhängt als Gegenmaßnahme zu EU-Sanktionen gegen hohe KP-Funktionäre, die angeblich an der Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang beteiligt gewesen sein sollen. Ob die Gespräche zu einem Ergebnis führen und welche Personen (und Organisationen) letztlich von den Sanktionen befreit werden, war zum Ende des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe noch nicht klar, aber eines kann man sagen: China ist an einem entspannteren Verhältnis zu Europa sehr interessiert. Ja, es umgarnt Europa förmlich.

Steht also ein Recoupling statt Decoupling an, wie manche Auguren etwas voreilig verkünden? Es mehren sich jedenfalls die Zeichen, dass Europa auf die chinesischen Annäherungsversuche positiv reagiert. Gerne werden in diesem Zusammenhang die Aussagen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zitiert, in denen sie sich wohlwollender zu China geäußert hat. Am 8. April führte sie auch ein längeres Telefonat mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang. Formaler Anlass war der 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und der EU. „Konstruktiv“ sei das Gespräch gewesen, hieß es danach in einer Stellungnahme der EU-Kommission. Im Juli soll es zu einem Gipfeltreffen zwischen China und der EU kommen. Eigentlich wäre hierfür turnusmäßig Brüssel als Ort dran gewesen, aber es wird nun Beijing. Ein Entgegenkommen der Europäer. Es wird also miteinander gesprochen und auch verhandelt. In einem Online-Meeting verständigten sich EU-Handelskommissar Maros Sefcovic und Chinas Handelsminister Wang Wentao die Verhandlungen über die Zölle auf chinesische E-Autos weiterzuführen.

Auch einzelne europäische Länder – ob EU-Mitglied oder nicht – intensivieren ihre Kontakte zu China. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez war Mitte April in China. Es war bereits sein dritter Besuch in drei Jahren. Neben Politikern traf er auch Top-Manager aus den Bereichen Auto, Batterien und erneuerbare Energien. Spanien buhlt schon seit Jahren um

chinesische Investitionen in diesen Branchen – und ist damit ziemlich erfolgreich. Chery baut E-Autos in Barcelona, CATL eine Giga-Fabrik in Saragossa. Interessant auch die häufigen China-Besuche britischer Kabinettsmitglieder. Außenminister Wang Yi telefonierte kürzlich mit seinem britischen Amtskollegen David Lammy und forderte Großbritannien zu einer Zusammenarbeit auf „to uphold the post-WWII world order.“

China präsentiert sich angesichts des amerikanischen Chaos als stabiler Faktor und Garant der internationalen Handelsordnung. Europa betrachtet China dabei als wichtigen Verbündeten und freut sich über jedes Land, das da mitmacht. Auch die Schweiz gehört zu den Nationen, die sich China wieder annähern. In der Woche nach Ostern war Außenminister Ignazio Cassis in Beijing. In der NZZ am Sonntag sagte FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann: „Es ist wichtig, dass wir unsere Beziehungen zu China nun vertiefen.“ Das bereits 2014 abgeschlossene Freihandelsabkommen zwischen China und der Schweiz soll ausgebaut werden, Eine erste Verhandlungsrunde fand im März statt, eine zweite soll im Sommer oder Herbst folgen.

Und was macht Deutschland? In der Politik herrscht in der Interregnums-Phase Sendepause. Scholz darf nicht mehr, und Merz kann noch nicht. Dafür meldete sich die deutsche Wirtschaft zu Wort. In einem knapp vierseitigen Brief, der dem Handelsblatt zugespielt wurde, haben sich über 30 Manager deutscher Unternehmen in Shanghai anonym zu Wort gemeldet und gefordert: „Um im chinesischen Markt relevant zu bleiben, braucht es mehr Einsatz (der Politik), nicht weniger.“

Maximilian Butek, Chef der Auslandshandelskammer (AHK) in Shanghai, ließ sich hingegen in einer Mitteilung der AHK mit vollem Namen zitieren. Darin schrieb er: „Wir sehen jetzt die wichtige Möglichkeit, für die EU; verbesserte Handels- und Investitionsbedingungen mit China zu verhandeln.“

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