MEINUNGSMACHER I South China Morning Post

Die South China Morning Post ist eine Institution in Hongkong. Wie die Star Ferry (1888 gegründet) oder das Cable Car zum Peak (ebenfalls 1888). Ganz so alt ist die Zeitung nicht. Sie wurde erst 1903 gegründet. Und zwar von dem britischen Journalisten Alfred Cunningham und Tse Tsan-tai, einem revolutionärer Kämpfer gegen die kaiserliche Qing-Dynastie, die damals in ihren letzten Zügen lag. Autoren waren damals meist Engländer. Das Blatt hatte gute Beziehungen zu den Kolonialherren, und später auch zum wirtschaftlichen Establishment. 

       Nach dem zweiten Weltkrieg war sie mehrheitlich in Besitz der Hongkong Shanghai Banking Corporation (HSBC) und sogar kurzfristig an der Börse. Dann wurde sie zum Spielball von Tycoons die ihre milliardenschweren Geschäfte in Hongkong betrieben. Erst stieg Rupert Murdoch ein, dann übernahm Robert Kuok, schließlich im April 2016 Jack Ma, Gründer des Online-Giganten Alibaba. Vorbild war offenbar Amazon-Chef Jeff Bezos, der 2013 die Washington Post gekauft hatte. Was der kann, kann ich auch, dachte sich Jack Ma wohl und kaufte für rund 265 Millionen US-Dollar die South China Morning Post. Ma hat in Hongkong übrigens auch eine riesige Villa knapp unterhalb des Peaks. 

  Nach Mas Einstieg wurde die Zahl der Mitarbeiter erhöht und neue, supermoderne Büros (mit Videostudios) am Times Square in Causeway Bay bezogen. Es wurden mit Abacus (Technologie) und Goldthread (Kultur und Gesellschaft) neue Online-Magazine installiert. Kurz nach Jack Mas Einstieg wurden die Bezahlschranken eingerissen, was die User-Zahlen erhöhte, aber nicht die Profitabilität. Inzwischen haben die Objekte der SCMP über 50 Millionen User im Monat, davon sehr viele im Ausland. Die Post ist nach wie vor für viele Ausländer die beste Informationsquelle über Hongkong und China. Sie ist stets gut informiert, was in der Volksrepublik passiert. Rund 50 Korrespondenten hat sie dort vor Ort. In der Zentrale arbeiten und schreiben inzwischen auch viele Festlandchinesen.

    Nach der Übernahme durch Jack Ma, immerhin Mitglied der KP Chinas, ging freilich die bange Frage um: Wird die SCMP nun Beijing-freundlicher? Der deutsche Autor und Journalist Frank Sieren, der übrigens wegen Corona seit Monaten in Hongkong festsitzt, sagt: „Die SCMP ist noch immer eine der besten englischsprachigen Tageszeitungen in Asien, die ich als Quelle nicht missen möchte. Ich würde die Zeitung noch immer als nicht zensiert bezeichnen, auch wenn man an der ein oder anderen Stelle erste Zeichen der Vorsicht spürt.“ Immerhin ist die Website der SCMP in China geblockt, was für kritische Schreiber eher eine Ehre ist.

   Allerdings bekommt das Blatt zunehmend zuhause Probleme. Infolge der Verschärfung des Sicherheitsgesetzes ist die Pressefreiheit zunehmend gefährdet. Innerhalb der Redaktion wird deshalb heftig diskutiert und gestritten, was man noch schreiben darf und muss. Das 117 Jahre alte Blatt steht vor schwierigen Zeiten.

Info:

Die South China Morning Post kann man (noch) umsonst online lesen: www.scmp.com; eine Umstellung auf ein Bezahlsystem war für August angekündigt, ist aber noch nicht eingetreten. Nachrichten aus Chinas sich rapide verändernder Technowelt gibt es bei https://www.scmp.com/abacus

Der in Hongkong als Freelancer arbeitende amerikanische Journalist Timothy McLaughlin hat soeben in The Atlantic eine ausführliche Insider-Story über die aktuellen Probleme der South China Morning Post geschrieben: https://www.theatlantic.com/international/archive/2020/08/scmp-hong-kong-china-media/614719/

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