China ist weit weg, Australien noch viel weiter. Was hat uns hierzulande also das Verhältnis dieser beiden Staaten zu interessieren? Viel, sehr viel. Wie diese beiden Staaten miteinander umgehen, könnte ein lehrreiches Stück sein, wie man es nicht machen sollte. Beide befinden sich in einer Spirale der Eskalation, von der niemand weiß, wann und wie sie enden wird. Das könnte Deutschland blühen, wenn Deutschland nach Merkel ein Hardliner in Berlin an die Macht kommt.
Australien ist viel enger verknüpft mit China als Deutschland. Ein Drittel der australischen Exporte gehen nach China. Die sind aber nun teilweise in Gefahr, weil sich die Beziehungen zwischen China und Australien rapide verschlechtern. Dieser Prozess setzte schon 2017 ein, nahm aber unter dem liberal-konservativen Premierminister Scott Morrison (seit August 2018 im Amt) zu.
Er verließ den ausgleichenden Kurs, den Australien lange Zeit als „weiße“ Macht in Asien fuhr. Australien verstand sich früher als ein Brückenbauer in der Region, vor allem unter dem zweimaligen Labour-Premier Kevin Rudd, der einst Chinesisch studiert hatte und in den 80er Jahren an der australischen Botschaft in Beijing arbeitete. Unter Morrison verlor Australien das Gleichgewicht und neigte sich zunehmend den USA zu. Nach einem Telefonat mit US-Präsident Trump forderte Morrison im April eine unabhängige Untersuchung des Ursprungs des Corona-Virus in China. „Das war ein großer Fehler“, sagt Singapurs Starintellektueller Kishore Mahbubani. “It (Australia) must understand the Asian way of doing things and in Asia giving face is very important”, belehrt Mahbubani die westliche Nation im asiatischen Raum.
Morrisons Forderung erzürnte Chinas Führung – und die Eskalationsspirale setzte sich in Gang. China nahm sich drei Güter vor, mit denen es die Agrarmacht Australien besonders treffen konnte: Gerste, Rindfleisch und Wein. Im Mai erhob Beijing auf Gerste einen Strafzoll von über 80 Prozent. Ebenso wurden Fleisch und Wein mit Zöllen belegt. Besonders bei Wein trifft es Australien hart, gehen doch 40 Prozent der Weinexporte des Landes nach China. Schon geht die Angst um, dass demnächst Milchprodukte an die Reihe kommen.
Die Strategie der Chinesen ist klar: Man sanktioniert nur die Güter, die Australien weh tun, und wo China alternative Einkaufsmöglichkeiten hat. Dies trifft auf Eisenerz, ein wichtiger Rohstoff zur Stahlgewinnung, nicht zu. Da ist China noch auf Australien angewiesen – noch. Denn China sieht sich heftig nach Alternativen um, zum Beispiel in Guinea. Sollte dies dazu führen, dass China weniger Eisenerz in Australien ordert, hätte Down Under ein großes Problem.
Neben diesen wirtschaftlichen Sanktionen – Huawei ist übrigens schon seit 2018 vom Bau des 5G-Netzes ausgeschlossen – gibt es inzwischen jede Menge kleine Nadelstiche. Visa werden verweigert, Journalisten verhört oder rausgeschmissen. Man verliert fast den Überblick. Was man aber sicher weiß: Zum ersten Mal seit 1972 gibt es keinen einzigen australischen Korrespondenten mehr in China.
Zuletzt verließen Michael Smith und Bill Birtles in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Land. Eine Rückkehr wird es so schnell nicht geben. Im Gegenteil. Birtles rechnet mit einer längeren Auseinandersetzung. In einer Online-Diskussion des Lowy Institute sagte er voraus, dass die Beziehungen zwischen beiden Nationen wahrscheinlich “pretty rocky and not particularly friendly for a long time” sein werden.
Info:
Kirsty Needham: Australia faces down China in a high-stakes strategy, A Reuters Special Report, 4. September 2020: https://www.reuters.com/article/us-australia-china-relations-special-rep-idUSKBN25V1GM
Die Ausgabe 10 der Zeitschrift Australian Foreign Affairs (erscheint am 12. Oktober) hat Australiens schwierigen Umgang mit China zum Titelthema gemacht. https://www.australianforeignaffairs.com/